Der Verkehr rollt in und aus der Unterführung der B 14 am Charlottenplatz Foto: dpa

Die Rolle des Autos in der städtischen Verkehrspolitik ist wieder heftig umstritten.

Stuttgart - Die Rolle, die das Automobil in der städtischen Verkehrspolitik spielen soll, ist wieder heftig umstritten. Bereits vor Jahren war der Stuttgarter Gemeinderat in dieser Frage gespalten. Einige Zeit schien der Konflikt entschärft zu sein. Jetzt haben CDU und FDP ihn aber wieder auf die Tagesordnung gebracht.

Einer rund drei Zentimeter dicken Beschlussvorlage ist es zuzuschreiben, dass am Dienstag im Stuttgarter Rathaus der alte Streit um das Auto wieder aufflammte. Bei dem Bündel Papier handelt es sich um den Entwurf eines städtischen Konzeptes für die Steuerung der Verkehrsentwicklung in der Landeshauptstadt. So ein Konzept versteht sich als Gesamtschau der kommunalen Strategien im Verkehrsbereich, das üblicherweise nicht zur schnellen Umsetzung taugt, sondern die grobe Richtung in die Zukunft aufzeigt.

Wirksames Instrument zur Beeinflussung des Verkehrsverhaltens

Unter dem Punkt 4.4 zum Thema "Preispolitische Instrumente" findet sich in der Vorlage eine kurze Passage über die City-Maut, die in einigen wenigen europäischen Ballungsräumen bereits realisiert ist. Die Formulierung brachte CDU und FDP so sehr in Rage, dass diese sogar die Freigabe des Entwurfs für die Beteiligung der Öffentlichkeit - also die Anhörung von Bürgern, Verbänden und Interessengruppen - verhindern wollten. Davon, dass das Konzept zur Beschlusslage werden könnte, ist es allerdings noch ziemlich weit entfernt. Allein das Anhörungsverfahren soll bis Ende 2010 dauern. Dann will die Stadtverwaltung dem Umwelt- und Technik-Ausschuss des Gemeinderats Vorschläge machen, wie die Änderungswünsche der Öffentlichkeit eingearbeitet werden könnten. Für März 2011 ist die Fertigstellung vorgesehen.

Die besonders umstrittene Formulierung lautet, dass besonders die City-Maut "bei entsprechender Ausgestaltung ein wirksames Instrument zur Beeinflussung des Verkehrsverhaltens ist". Sofern die Möglichkeit dazu bestehe, solle dieses Instrument auch in der Region genutzt werden.

Im nächsten Atemzug wird aber auch festgehalten: "Bisher gibt es keine Rechtsgrundlage, die es den Kommunen erlaubt, eine City-Maut, Nahverkehrsabgabe oder ähnliches zu erheben." Weder die Bundes- noch die Landesregierung lasse erkennen, dass in absehbarer Zeit ein solches Gesetz auf den Weg gebracht werden soll. Damit sei auch völlig unklar, welche Rahmenbedingungen gelten werden, wenn vielleicht eines Tages doch eine Rechtsgrundlage geschaffen würde. Aus diesem Grund sei es nicht möglich, vorsorglich ein Konzept für eine Maut oder Nahverkehrsabgabe zu entwickeln.

City-Maut bleibt erstmal drin

FPD-Stadtrat Michael Conz wertete diese Formulierungen dennoch als Beleg, dass sich der Entwurf für eine City-Maut ausspreche. CDU-Stadtrat Philipp Hill entdeckte in dem Duktus des Entwurfs einen "Zungenschlag", der als Stigmatisierung des Automobils bewertet werden müsse. Der Verwaltung warf er vor, sie habe die ursprüngliche Version seit den vergangenen zwölf Sitzungen zu diesem Thema in einer Art und Weise verändert, dass die CDU das Ergebnis nicht mehr mittragen könne. Man müsse den Inhalt zurückdrehen bis zu der Version, in welcher der Entwurf einen Unterausschuss des Gemeinderats verließ. Diese Anfänge reichen aber weit zurück - sogar in die Zeit, da das bürgerliche Lager im Rathaus noch eine Mehrheit hatte. Seit der Kommunalwahl 2009 gibt dort allerdings eine öko-soziale Mehrheit aus Grünen, SPD und SÖS/Linke den Ton an.

Gegen eine City-Maut in der Stadt Stuttgart hätte im Ernstfall freilich auch die SPD Bedenken, weil man darin nach den Worten von Fraktionschefin Roswitha Blind "ein Konjunkturprogramm für die grüne Wiese" sieht. Anders als die CDU und die FDP fordert die SPD deswegen aber nicht, den Entwurf erst zu überarbeiten, ehe die Öffentlichkeit dazu angehört wird. In dem Papier stehe so manches, was am Ende des Verfahrens nicht mehr drinstehen werde, urteilten SPD und Grüne. Deren Stadtrat Jochen Stopper forderte, an diesem Punkt keine Denkverbote auszusprechen, das Ringen um einen Konsens vielmehr nach dem Anhörungsverfahren einzuleiten. Eine Basta-Entscheidung müsse man hier nicht befürchten, fügte Michael Kienzle (Grüne) hinzu.

Rathausmehrheit schafft Tatsachen

Städtebaubürgermeister Matthias Hahn (SPD) hielt dem bürgerlichen Lager ein unangemessenes Verhalten vor. Die Formulierung von der Stigmatisierung des Automobils sei eine ähnliche Zuspitzung wie die Äußerung des bayerischen Regierungschefs Horst Seehofer über die Integration von Muslimen in Deutschland. CDU und FDP wollten offensichtlich den Begriff der restriktiven Maßnahmen gegen den Individualverkehr aus dem Konzept tilgen. Aber der vom bürgerlichen Lager mitgetragene Luftreinhalteplan und die verschärfte Plakettenpflicht für Autos in Stuttgart seien auch nichts anderes als restriktive Maßnahmen.

Die für ihre Arbeit gerügten Verkehrsplaner hätten nicht nur dieses Konzept entworfen, erinnerte Hahn, sondern sich zuvor schon für den Bau des Rosensteintunnels für den Autoverkehr eingesetzt. Mit einem langweiligen Entwurf, der alle gleichgültig lasse, müsse man gar nicht erst in die Beteiligung der Öffentlichkeit ziehen. Ein Verkehrsentwicklungsplan, in dem der Begriff City-Maut noch nicht einmal vorkäme, wäre nicht vertretbar. "Die Verwaltung setzt sich aber noch nicht einmal für die Verwirklichung ein", sagte Hahn.

Die Mehrheit im Rathaus schuf schließlich mit zehn gegen sieben Stimmen vollendete Tatsachen. Der Entwurf wird jetzt ohne vorherige Änderung der Öffentlichkeit zur Stellungnahme unterbreitet. Ein Ziel sah CDU-Stadtrat Hill aber erreicht: "Wir zeigen den Stuttgarter Bürgern, wofür die CDU steht und für welche Verkehrspolitik die anderen."