Die dunklen Wolken über dem Clubhaus des VfB Stuttgart verziehen sich einfach nicht. Foto: Baumann/Hansjürgen Britsch

Die möglichen Satzungsverstöße der Vereinsbeiratsmitglieder Marc Nicolai Schlecht und André Bühler beschäftigen die Stuttgarter weiter – und jetzt stellt sich die Frage: Wie genau ist geprüft worden?

Ein Mannschaftsfoto stellt immer einen besonderen Moment dar. Alle, die dazugehören, sollen sich versammeln und auf dem Bild zu sehen sein. In diesem Fall Fußballerinnen, Trainer, Managerin, Betreuer – die Aufnahme vor der Saison verbindet. Da bilden die Oberliga-Frauen des VfB Stuttgart keine Ausnahme. Auf ihrem ursprünglichen Gruppenfoto stehen Marc Nicolai Schlecht in schwarzer Trainingskleidung sowie das gesamte Team hinter dem Team. Schlecht trägt zudem Torwarthandschuhe.

 

Doch schon seit geraumer Zeit ist das Vereinsbeiratsmitglied von diesem Bild verschwunden. Wegretuschiert. Nun sind nachträgliche Bearbeitungen normal – Schlecht betreut offiziell nicht mehr das erste Frauenteam des VfB, weder als Mannschaftsarzt noch als Torwarttrainer. Hintergrund ist ein eventueller Satzungsverstoß, da es beim VfB nicht möglich ist, gleichzeitig von der AG Geld für eine Tätigkeit zu erhalten und parallel in einem Vereinsgremium zu sitzen.

Gibt es Widersprüche?

Relevant ist dieser Sachverhalt für Schlecht seit vergangenem September, weil das Frauenteam ursprünglich im VfB e.V. angesiedelt war, nachträglich aber in die VfB AG überging. Zunächst ein formaler Akt, allerdings wird im Verein seither darüber gestritten, ob im Fall des Mediziners gemäß Paragraf zwölf, Absatz acht, ein Satzungsverstoß vorliegt. Zuletzt hatte der Betroffene auf einer Regionalversammlung in Stuttgart erläutert, er habe deshalb freiwillig und unverzüglich sein Amt als Mannschaftsarzt aufgegeben. Wenige Minuten später räumte er ein, dass dies erst nach einer „Übergangszeit“ geschehen sei, um das erste Frauenteam nicht ohne medizinische Betreuung da stehen zu lassen.

Das kurzzeitige Engagement als Torwarttrainer betrachtet Schlecht ohnehin als Gefälligkeit aus reiner Leidenschaft. „Marc Nicolai Schlecht war nicht als Torwarttrainer für die AG tätig. Seine Unterstützung für die VfB-Torwarttrainerin erfolgte ohne Auftrag und ohne Absprache mit der AG in derart geringfügigem Umfang, dass diese nicht eigens berücksichtigt wurde“, erklärt das Präsidium, warum diese Tätigkeit bei der Überprüfung nicht als relevant angesehen wurde.

So weit, so gut. Doch dem Vernehmen nach musste Schlecht davon überzeugt werden, diesen Schritt zu gehen (er betreut nun das zweite Frauenteam und die U 17 als Arzt). Weil das Vereinspräsidium bereits im Spätsommer rechtliche Probleme auf sich zukommen sah. Zu dieser Einschätzung gelangte jedenfalls der Clubjustiziar Jan Räker. Ein externes Rechtsgutachten, welches der ehemalige VfB-Präsidentschaftskandidat Pierre-Enric Steiger bei der renommierten Kanzlei Luther in Auftrag gegeben hatte, bestätigte diesen Eindruck später nicht nur, sondern es führte aus, warum Schlecht nicht weiter dem Vereinsbeirat angehöre. Mehr noch: Er sei bei einem Satzungsverstoß automatisch raus aus dem Gremium.

Eine juristisch vertretbare Argumentation, wie es in Fachkreisen heißt – und der Punkt des sofortigen Ausscheidens folgt der gängigen Rechtsauffassung. Das VfB-Präsidium sieht das Ganze aber anders und betrachtet Schlechts Tätigkeit als „externe Dienstleistung“, um ihn im Vereinsbeirat zu belassen. Selbst auf die Gefahr hin, dass die Erfolgsaussichten in einem Klagefall nicht allzu groß wären. Ausführlich darlegen will der Verein die Entscheidungsfindung jedoch nicht. „Das Präsidium hat über die juristischen Einschätzungen auf der Vereinshomepage informiert“, heißt es. In dürren Worten ist das erfolgt, und die Auffassung des Luther-Gutachtens wurde kaum widerlegt. Dennoch kam das VfB-Präsidium zu dem raschen Schluss, dass weder bei Schlecht noch bei dem ebenfalls betroffenen Vereinsbeirat André Bühler ein Satzungsverstoß vorliegt.

Kritische Nachfragen

Trotzdem gibt es in den VfB-Gremien weiter kritische Nachfragen und unterschiedliche Perspektiven. Das Präsidiumsmitglied Christian Riethmüller hat die Vereinserklärung, die von Präsident Claus Vogt und Vizepräsident Rainer Adrion abgezeichnet wurde, deshalb öffentlich schon vor VfB-Fans präzisiert und korrigiert. Für Schlecht selbst stand von vornherein fest, dass er sich nicht aus dem Vereinsbeirat zurückzieht: „Ich bin seit drei Jahren von den Mitgliedern gewählter Vertreter im Vereinsbeirat. Daher sehe ich mich den Mitgliedern gegenüber in der Verantwortung, und betrachte dies als klaren Auftrag zur Mitwirkung in der Gremienarbeit. Die erst im Sommer dieses Jahres begonnene medizinische Betreuung ist somit, wenn auch schweren Herzens, nachgeordnet zu betrachten, sodass ich mich entschieden habe, diese nach Übertragung der ersten Frauenmannschaft in die AG zu beenden.“

Ruhe kehrt jedoch nicht ein. Auch, weil sich die vom VfB hinzugezogene Anwaltskanzlei Haver und Mailänder offenbar nur im Schnellverfahren mit der Materie beschäftigen konnte und Fragen an Vogt und Co. bleiben. So hat der damit befasste Rechtsanwalt Timo Alte zwar seine Einschätzung zum Fall Schlecht abgegeben – zu André Bühler, der eng mit Vogt verbunden ist, jedoch nicht wirklich. „Der Fall wurde intern unter Einbeziehung externer Expertise beurteilt“, antwortet das VfB-Präsidium auf Anfrage. Rechtsanwalt Alte verweist auf seine Schweigepflicht.

Warum im Fall Bühler nicht genauer geprüft wird, ist nun eine Frage, die sich Teile des Vereinsbeirats stellen. Weil es um die Machtsicherung der Vogt-Fraktion geht? Aufklärung ist angemahnt und das Zerwürfnis groß. Zumal das Rechtsgutachten von Luther aufgrund von Bühlers Tätigkeit für die VfB-Akademie zu dem Schluss gelangt, dass auch hier ein Satzungsverstoß vorliegt. Der Aufforderung aus dem Vereinsbeirat, die Verhältnisse darzulegen, kam der Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen bislang jedoch nicht nach.