Daimler vermeldet derzeit von Monat zu Monat neue Rekordwerte. Die Werke laufen auf Hochtouren. Der Verzicht auf Überstunden würde den Konzern empfindlich treffen. Foto: dpa

Wegen Unstimmigkeiten bei der E-Strategie droht der Daimler-Betriebsrat in Untertürkheim, von Juli an keine Überstunden mehr zu genehmigen. Was dieser radikale Schritt für den Konzern bedeuten würde.

Stuttgart - Wenn im Motorenwerk von Daimler in Untertürkheim keine Überstunden mehr gefahren werden, könnte das nach Ansicht von Experten gravierende Auswirkungen haben. „Das könnte zu signifikanten Problemen führen“, sagt Henner Lehne, Autoexperte beim Beratungsunternehmen IHS. „Die sogenannten Just-in-time-Systeme sind extrem empfindlich.“ Just in time bedeutet, dass die Zulieferung zu dem Zeitpunkt erfolgt, an dem eine Komponente benötigt wird und nicht in Lagerhallen vorrätig ist.

Dieses System ist zuletzt in die Schlagzeilen geraten, als bei BMW die Bänder stillstanden, weil Bosch keine Gussteile mehr aus Italien liefern konnte. Untertürkheim beliefert Mercedes-Werke aus aller Welt mit Achsen, Getrieben und Motoren. Ohne diese Teile kann ein Fahrzeug nicht fertiggestellt werden. „Im schlimmsten Fall würde die Streichung der Überstunden dazu führen, dass Daimler nicht so viele Fahrzeuge produzieren kann, wie der Autobauer eigentlich verkaufen könnte“, sagt Lehne.

Das Werk läuft auf Hochtouren: „Wir haben bis heute im Jahr 2017 an acht Sonn- und Feiertagen gearbeitet“, sagt Michael Häberle, stellvertretender Betriebsratschef in Untertürkheim. „Größtenteils in den Bereichen Achsen und Getriebe. Ohne diese Arbeiten wäre das Fahrzeugwerk Sindelfingen höchstwahrscheinlich zum Stillstand gekommen.“

Die Mitarbeiter fürchten, dass ihnen die Arbeit ausgeht

In Sindelfingen produziert der Konzern die S- und die E-Klasse. Und auch dort fährt Daimler Sonderschichten. Denn die Kunden reißen dem Konzern die Autos mit dem Stern förmlich aus den Händen. Monat für Monat meldet der Konzern neue Absatzrekorde.

In Untertürkheim haben die Mitarbeiter im vergangenen Jahr rund eine Million Überstunden angehäuft – etwa 110 000 davon an Sonn- und Feiertagen.

Die Mitarbeiter im Neckartal fürchten aber, dass ihnen die Arbeit ausgeht, wenn die Kunden keine Autos mehr mit Verbrennungsmotor kaufen. Darum fordern sie, an der Elektrostrategie des Konzerns beteiligt zu werden. Da die Verhandlungen dazu zuletzt ins Stocken geraten sind, droht der Betriebsrat nun, von Juli an keine Überstunden mehr zu genehmigen.