Marlis Tepe ist seit 2013 Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Sie versichert, dass die GEW mit dem Streikrecht verantwortungsvoll umgehe. Foto: dpa

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am 17. Januar über das Streikverbot für Beamte. Dagegen klagen vier Lehrer mit Unterstützung der Bildungsgewerkschaft GEW. Deren Vorsitzende Marlis Tepe wehrt sich gegen den Vorwurf der Rosinenpickerei.

Stuttgart - Marlis Tepe, die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, kämpft für das Streikrecht. Dies sei keine Rosinenpickerei einer Statusgruppe.

Frau Tepe, Ihre Gewerkschaft GEW unterstützt die Klagen gegen das Streikverbot vor dem Bundesverfassungsgericht. Wollen Sie das Berufsbeamtentum zerschlagen?
Nein. Darum geht es nicht. Es geht im Wesentlichen darum, ein Grundrecht für Beamte, das ihnen bisher vorenthalten wird, durchzusetzen und das Beamtenrecht zu modernisieren. Artikel 9 des Grundgesetzes garantiert die Koalitionsfreiheit. Im Artikel 33 ist diese gewissermaßen eingeschränkt durch die Treuepflichten und das althergebrachte Berufsbeamtentum. Neben dieser Kollision innerhalb des Grundgesetzes gibt es eine zweite Kollision zwischen dem Völkerrecht und dem deutschen Recht. Diese Widersprüche müssen aufgelöst werden.
Aber wenn Sie einen Baustein herausziehen, wie das Streikverbot für Lehrer, könnte doch das ganze Gebäude – also das Alimentationsprinzip für Berufsbeamte – zusammenbrechen?
Wir sollten jetzt nicht spekulieren, sondern schauen, wie sich das Bundesverfassungsgericht positionieren wird. Jetzt geht es um das Streikrecht. Diese Frage muss nicht das ganze Gebäude erschüttern.
Ist der Beamte nicht zu einer besonderen Loyalität dem Dienstherrn gegenüber verpflichtet?
Ja. Das Treueverhältnis ist geboten. Das muss aber nicht bedeuten, dass man nicht wie mit anderen Arbeitgebern auch die Arbeitsbedingungen aushandeln kann.
Sind Streiks den Schülern und Eltern zumutbar?
Bisher hat es in Deutschland nur selten Lehrerstreiks gegeben. Das waren zum Beispiel Warnstreiks. Die GEW geht mit dem Streikrecht verantwortungsvoll um. Wir informieren vorher und sorgen für Regelungen, damit den Schülern in der Regel keine wesentlichen Nachteile entstehen. Streiks sollen den Arbeitgeber treffen.
Wie viel Bereitschaft gibt es in der Lehrerschaft, für höhere Einkommen zu streiken?
Vor Streikaufrufen von Beamten haben wir ein bestimmtes Quorum zur Voraussetzung gemacht. Jetzt gibt es keine neuen Abfragen. Wir wissen aber, dass sich die Kollegen durch die Vielfalt der Aufgaben extrem belastet sehen. Insofern könnte ich mir schon vorstellen, dass es eine Streikbereitschaft gibt.
Gibt es dazu einen Dissens in Ihrer Mitgliedschaft?
Nein. Unsere Mitgliedschaft steht hinter unserer Forderung nach einem Streikrecht.
Steckt im bisherigen Prinzip der unterschiedlichen Besoldung durch die Länder nicht auch eine Chance, wenn man an die guten Bedingungen in Bayern denkt?
Die bundeseinheitlichen Regelungen vor der Föderalismusreform 2006 waren wesentlich klüger. Die Unterschiede bei der Besoldung heute sind sehr erheblich. In Bayern gibt es übrigens alle zwei Jahre eine Beurteilung, die alle Kollegen stark reglementiert. Insofern hat das System Vor- und Nachteile.
Verhandeln und streiken, aber auch die Vorteile des Beamtendaseins genießen: Plädieren Sie damit nicht für eine Rosinenpickerei?
Richtig ist, dass es Unterschiede zwischen den Statusgruppen gibt. Aber die Beamten haben auch schon viele Nachteile hinnehmen müssen. Zum Beispiel wurden Jahressonderzahlungen nach Gutsherrenart abgeschafft, zudem sind die Versorgungsansprüche gekürzt worden. Bei der Beihilfe zahlen Beamte eine Kostendämpfungspauschale, die der Arbeitgeber nicht mitträgt. Da ist den Beamten immer wieder einiges zugemutet worden.
Welche Entscheidung erwarten Sie in Karlsruhe?
Wir sollten weder der mündlichen Verhandlung noch dem schriftlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das erst in einiger Zeit zu erwarten ist, vorgreifen. Natürlich würden wir uns freuen, wenn die Richter unserer Rechtsauffassung und unseren guten Argumenten folgen.

Das Gespräch führte Matthias Schiermeyer.