Keine Bahn auf der Schiene, umso mehr Autos auf der Straße: Der Streik der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) sorgt für Staus. Foto: dpa

Verdi und Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) einigen sich nun doch auf Notdienst in Werkstätten.

Stuttgart - Nun also doch: Am Donnerstag sollen in Stuttgart alle Busse und Stadtbahnen wieder rollen. Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) nehmen die Schließung des Fahrbetriebs, der "aus Sicherheitsgründen" bis zum Wochenende ruhen sollte, zurück. Die Eskalation im Tarifkonflikt ist zunächst abgewendet.

Zeitgleich, um 15.46 Uhr, verkünden am Dienstag die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) und die Gewerkschaft Verdi jeweils in ihren Pressemitteilungen, dass es diese Woche in der Landeshauptstadt doch nicht ganz so knüppeldick kommt. Dank einer "deutlich erweiterten Notdienstvereinbarung" in den Werkstätten können die Busse und Stadtbahnen bereits am Donnerstag wieder aus den Depots rollen und auf die Strecke gehen.

Schuster wirbt für Lösung

Bis dahin standen die Signale in Stuttgart auf Eskalation. Verdi hatte den Fahrdienst für diesen Mittwoch in der Landeshauptstadt, in Esslingen, Heilbronn, Freiburg, Karlsruhe und Baden-Baden zum Streik aufgerufen. Doch der SSB-Vorstand überrumpelte die Gewerkschaft wie die Fahrgäste gleichermaßen, indem er den Fahrbetrieb in Stuttgart kurzfristig von Dienstag an einstellte.

Wegen des Streiks in den Werkstätten sei die Verkehrssicherheit gefährdet, so die Begründung. Sonderfall Stuttgart: Der Fahrbetrieb sollte so lange dauern wie der Streik in den Werkstätten - bis Freitagnacht. Für die Gewerkschaft "komplette Willkür", so Verdi-Verhandlungsführer Rudolf Hausmann. Denn noch am Montag habe die Gewerkschaft angeboten, einen Notdienst zuzulassen, der die täglich notwendige Wartung und Betankung sicherstellen sollte. SSB-Vorstand und Arbeitgeber-Verhandlungsführer Reinhold Bauer lehnte das aber entschieden ab: "Wir brauchen keinen Notdienst, sondern alle Mann." Die Streikhähne stecken in der Sackgasse.

War denn im Interesse der Fahrgäste wirklich kein Notplan möglich? Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, immerhin Aufsichtsratsvorsitzender des Verkehrsunternehmens, ist sich am Dienstag auch nicht so ganz sicher. Von Aalen aus erkundigt er sich nach der Lage. Greift zum Telefon, nimmt Verbindung mit der SSB-Zentrale in Möhringen auf. "Er hat im Vorstand dafür geworben, eine Lösung zu finden", formuliert es Schusters Sprecher Markus Vogt.

Die Kuh soll vom Eis

Der SSB-Vorstand, der verantworten muss, dass bereits am Dienstag Tausende überrascht werden und viele Fahrgäste vergebens an den Haltestellen stehen, steht unter Druck. Nicht nur, weil der OB anruft. Am Samstag steigt der Bundesliga-Schlager des VfB Stuttgart gegen Borussia Dortmund, da sind viele Sonderzüge im Stadtbahnverkehr nötig. Wie soll das alles gehen, wenn bis Freitagnacht die Fahrzeuge nicht gewartet werden, die aus Sicherheitsgründen seit Montag in den Depots stehen?

Aber auch der SSB-Betriebsratsvorsitzende Klaus Felsmann hat kein Interesse an einer Eskalation. Bereits am Montag hatte das Mitglied der "Landesarbeitskampfleitung" bei den Werkstätten-Verantwortlichen von Schiene und Bus abgefragt, wie viele Leute mindestens nötig seien, um einen Bus vollzutanken, den Reifendruck zu prüfen, gegebenenfalls Flüssigkeiten nachzufüllen und Türfunktionen zu testen oder um eine Stadtbahn mit Bremssand zu füllen. Zwölf für die Schiene und 24 im Busbetrieb, hieß es. Das klang großzügig bemessen, doch Felsmanns Angebot wurde abgeschmettert.

Felsmann will auch am Dienstag alles versuchen, "den Donnerstag und Freitag zu retten". Man trifft sich erneut mit Vertretern der Geschäftsführung - diesmal mit dem Mann vom Personalrecht und einem Vertreter der Werkstätten. Die schrauben die aus ihrer Sicht notwendigen Personalzahlen für den Notdienst noch höher. 31 für die Schiene, 40 für den Busbetrieb. "Das ist vollkommen überzogen", sagt Feldmann, "doch im Sinne der Fahrgäste stimmen wir dem zu." Die Kuh soll vom Eis.

1800 Anrufe pro Stunde

SSB-Vorstand Wolfgang Arnold legt nach einem Gespräch mit OB Schuster den Hörer auf die Gabel und atmet auf. Das Wochenende ist gerettet. Ein taktisches Manöver auf dem Rücken der Fahrgäste sei das alles nicht gewesen: "Für mich war immer entscheidend klarzumachen, dass wir an der Sicherheit keine Abstriche machen." Immerhin: In den Buswerkstätten sind fast die Hälfte der Leute - 40 von 98 - für den Notdienst vorgesehen. Bei der Schiene sind es 31 von 190 - ein Sechstel. Zusammen sind also 25 Prozent des Werkstatt-Personals nicht mehr im Streik.

Freilich: Dass die Abläufe bei den SSB anders sind als in kleineren Verkehrsunternehmen, rächt sich. Die sogenannte Restrukturierung hat dazu geführt, "dass alles knapp auf Kante genäht ist", räumt Arnold ein. Personalreserven, Redundanzen - "das gab es früher mal, das ist alles weg".

Wer den Tag der Betriebsstilllegung zahlen muss, ist für die Gewerkschaft Verdi noch offen: "Weder der Verband noch der Arbeitgeber haben eine Aussperrung erklärt", sagt Verdi-Vertreter Hausmann. Da die Fahrer ihre Arbeitskraft angeboten hätten, sei der Arbeitgeber im Annahmeverzug. Wenn der nicht zahlen wolle, werde das gerichtlich geprüft.

Die Gewinner des Streiks sind ohne Zweifel die Taxifahrer. "Wir mussten das Personal in der Funkzentrale verdoppeln", sagt Murat Arslan, Vorstand der Taxi-Zentrale. Er selbst habe zum Hörer gegriffen, um möglichst wenig Wartezeiten aufkommen zu lassen. 1800 Anrufe pro Stunde gab es beim letzten Mal, "und am Dienstag waren es mindestens so viele", sagt Arslan. Am Donnerstag, so scheint's, wird es weitaus ruhiger.