Frankreich stehen harte Streiks bevor. Foto: /

Protestwoche gegen Rentenreform: Streik, Massendemos und Blockaden – In Frankreich treiben die Proteste gegen die Reform von Emmanuel Macon ihrem Höhepunkt entgegen.

Gewerkschaften und Linksparteien rufen am Dienstag ein weiteres Mal zum Widerstand gegen die Rentenreform auf. Vor allem die Schulen und der öffentliche Verkehr werden bestreikt. Nur jeder fünfte TGV-Zug dürfte verkehren. Fernfahrer wollen zudem Autobahnzufahrten sperren. Auch Ölraffinerien dürften blockiert werden.

In 260 französischen Orten sind Demonstrationen geplant. Die Gewerkschaften treten geschlossen an und hoffen auf mehr als eine Million Teilnehmer. Diese Zahl gilt als Gradmesser für den Erfolg der Proteste. Die Vorlage wird seit Wochen im französischen Parlament diskutiert.

Was treibt die Reformgegner an?

Der Hauptwiderstand richtet sich gegen die Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre. Sie wird als sozialer Rückschritt empfunden. Zudem scheint der Moment für eine solche Reform schlecht gewählt: Seit der Coronapandemie, dem zunehmenden Homeoffice und dem Hitzerekord des Sommers 2022 nimmt in Frankreich die Kritik am leistungsorientierten Gesellschaftsmodell zu. Viele junge Leute wollen weniger arbeiten – nicht länger.

Welche Bevölkerungskategorien sind besonders betroffen?

Laut den Gewerkschaften sind es schlechter Verdienende mit körperlichen Jobs: Sie hätten eine geringere Lebenserwartung, weshalb 25 Prozent von ihnen schon vor Erreichen des 64. Lebensjahres stürben. Bei den Büroangestellten liege diese Zahl erst bei fünf Prozent. Frauenverbände behaupten ferner, Mütter hätten in der Reform mehr zu verlieren als andere, da ihre Beitragsjahre durch die Kinderbetreuung häufig unterbrochen würden. Die Regierung sagt, sie trage diesem Umstand mit neuen Konzessionen Rechnung.

Leidtragende sind zudem Frankreichs Senioren. Sie werden von ihren Arbeitgebern häufiger als in anderen Ländern entlassen: Von den über 55-Jährigen sind in Frankreich nur 56 Prozent beruflich aktiv. Der Regierung scheint das erst in der Parlamentsdebatte gemerkt zu haben: Sie will nun Unternehmen mit Strafen anhalten, einen Mindestanteil an Senioren zu beschäftigen, und plant für sie einen speziellen Arbeitsvertrag mit Schutzwirkung.

Wie verhält sich Macron gegenüber den massiven Proteste?

Der unpopuläre Präsident hält sich bewusst aus der Schusslinie. Seiner Regierung gelingt es indessen nicht, das Reformziel der Bevölkerung näher zu bringen. Ein Minister räumte ein, die Kommunikation sei „schlecht, was aber bei einem so unpopulären Thema gar nicht anders möglich“ sei.

Premierministerin Elisabeth Borne hat es nicht einmal geschafft, „linke“ Aspekte der Reform – wie etwa die Einführung einer Mindestrente von 1200 Euro – zu verkaufen: Bis heute ist unklar, wie weit die Ausnahmen von dieser sehr teuren Maßnahme gehen werden. Um das Gesamtprojekt zu retten, muss Elisabeth Borne außerdem immer mehr Konzessionen machen. Sie beeinträchtigen sogar das Grundziel der Reform, einen ausgeglichenen Rentenhaushalt bis 2030 zu schaffen.

Wie wird es weitergehen?

Die Gewerkschaft CGT ruft zumindest in der Pariser U-Bahn zur „unbefristeten“ Fortsetzung des Streiks auf. Linkenchef Jean-Luc Mélenchon würde gerne die ganze Landeswirtschaft lahmlegen. „Blockiert, soviel ihr könnt“, rief er am Wochenende einem studentischen Publikum zu.

Die Regierung warnt vor einer Radikalisierung der Proteste, die schnell einmal in Gewalt und Krawalle ausufern könnten. Die Frage ist, für welche Seite das kontraproduktiv wäre. Vorläufig bleiben laut Umfragen bis zu 70 Prozent der Französinnen und Franzosen gegen die Reform. Macron kann sich einen Rückzieher politisch kaum leisten, stellt doch die Rentenreform das Kernstück seiner beiden fünfjährigen Amtszeiten dar. Die nächsten Tage dürften die Entscheidung bringen. Es wird zweifellos ein Kampf auf Biegen und Brechen.