So sieht Schloss Solitude in Google Street View aus Foto: StN

Internet-Konzern gibt eine Kostprobe seines Diensts Street View. Start in Oberstaufen.

Oberstaufen - Oberstaufen ist ein idyllisches Örtchen in Bayern. Selbst die Gegend um die Bürgermeister-Hertlein-Straße macht etwas her: hinter ihr eine saftige Wiese, in der Frühlingsblumen stehen, am Horizont die Alpen; über ihr ein nur leicht bewölkter Himmel. Die Tempo-30-Zone: familienfreundlich. Und das Gute ist: Es wird die kommenden Jahre so bleiben, selbst an einem Nebeltag wie diesem. Denn Oberstaufen wurde an einem Bilderbuchwettertag von hochtechnologisierten Wagen erfasst und optisch vermessen. Der Internet-Konzern Google hat sie vor Monaten ins Allgäu geschickt. Oberstaufen ist jetzt die erste deutsche Google-Gemeinde.

Seit Dienstagmorgen stehen die Bilder im Netz, und deshalb wird im Ort gefeiert. "Wir brauchen uns nicht zu verstecken", sagt Bürgermeister Walter Grath (Freie Wähler). Womit er nicht nur die schöne Lage meint, sondern auch gegen die Widerständler an anderen Orten stichelt. Bundesweit hatten mehr als 244.000 Haushalte allein in den 20 größten Städten verlangt, ihre Wohnhäuser unkenntlich zu machen. Was allerdings nur knapp drei Prozent der betroffenen Haushalte sind.

In Oberstaufen ist es wiederum nur ein Bruchteil davon: Lediglich 16 Hausbewohner ließen nach Angaben der Gemeinde ihre Grundstücke pixeln. Das touristische Marketing des Ortes umwarb Google gar mit einem selbst gebackenen Kuchen, den man im August dieses Jahres verschickte. Grund genug für den Konzern, den Deutschland-Start von Street View ins idyllische Bergland zu verlegen. Mit der Probeversion will man um mehr Akzeptanz werben, bevor die Fotos der 20 größten Städte noch in diesem Jahr freigeschaltet werden.

Betrachter nimmt die Straßenperspektive ein

Doch was ist überhaupt zu sehen? Mit dem Dienst soll es zur Kirche St. Peter und Paul gehen, die das Internet-Lexikon Wikipedia als eine der Sehenswürdigkeiten ausweist. Bisher konnte man mit Google Maps, das Satelliten- und Luftbilder nutzt, von oben heranzoomen. Mehr als ein verwischtes Dach ist allerdings nicht auszumachen.

Anders mit Street View - hier nimmt der Betrachter die Straßenperspektive ein. Die Bilder sind gestochen scharf und auch Rundumblicke möglich. Vor dem ersten Geschäft kommt der erste Passant entgegen, Wanderschuhe, weißes T-Shirt, ein Buch in der Hand, das Gesicht gepixelt. Für einen Ortsansässigen ist er wohl dennoch zu erkennen. Dann das erste Auto, auch hier das Nummernschild gepixelt, der Fahrer hat eine Sonnenbrille auf. Man kann sich an Details wie diese heranzoomen, die Aufschriften auf Werbeschildern lesen, die Steine in den Schlaglöchern zählen, die Waren in den Auslagen betrachten.

Orientierung per Mausklick

Wer hier eine Wohnung sucht, kann sogar den Zustand der Fassade beurteilen - zumindest zum Zeitpunkt der Aufnahme. Und welche Autos gefahren werden, was die Leute anhaben - ob das Billig-T-Shirt oder die Variante mit dem Krokodil drauf. Nicht allen gefällt es, dass Details wie diese jetzt weltweit sichtbar sind. In Oberstaufen verbergen sich die wenigen Widerständler hinter verschwommenen Rechtecken, die wie Milchglas ihre Häuser überdecken.

Was Street View für Google selbst bedeutet, lässt sich in der Einbettung mit anderen Diensten sehen. Der Bilder-Straßendienst lässt sich mit Google Maps öffnen. In der Doppel-Ansicht sind Geschäfte, Hotels und Restaurants markiert, deren Details sich mit einem Klick öffnen lassen. Das gab es schon früher - mit Street View wird die Suche aber genauer und komfortabler. Ein wichtiges Argument im Kampf um Anzeigenkunden.

Aus Stuttgart lockt das Schloss Solitude

Google preist vor allem den Gewinn für den Nutzer, der sich jetzt spielend-leicht orientieren könne, sei es beim Shopping, Hauskauf oder Sightseeing. Bereits jetzt nutzten wöchentlich mehr als 100.000 Personen den Dienst, um Städte im Ausland zu erkunden und den Urlaub zu planen. In mehr als 20 Ländern ist dies bereits möglich. Deutschland-Liebhaber müssen sich zumindest noch bis Ende des Jahres gedulden, dann werden Aufnahmen unter anderem aus Berlin, Dresden, Hamburg, Leipzig und München ins Netz gehen.

Aus Baden-Württemberg ist neben Mannheim Stuttgart vertreten. Hier lockt seit Dienstag zumindest das Panorama vom Schloss Solitude. In Berlin lässt sich das Kanzleramt bewundern, in Hamburg die Köhlbrandbrücke. Fußballfans können übrigens in zehn Bundesliga-Stadien blicken, darunter das Freiburger Badenova-Stadion und die Allianz-Arena in München.

Oberstaufen hat mit St. Peter und Paul weniger zu bieten, feiert seine weltweite Internet-Präsenz aber mit Alphornbläsern. Und das Bilderbuchwetter im Internet müssen die Großstädte erst einmal toppen. Seit 2008 waren die Kameraautos von Google unterwegs, nicht immer spielte die Sonne mit. Und wer möchte denn den Urlaub mit verregneten Straßen in Berlin planen?