Einzig über das Smartphone konnte man Quibi nutzen. Foto: AFP/Chris Delmas

Große Bildschirme und lange Filme sind von gestern, dachte man bei Quibi. Das gigantische Start-up wollte mit Film- und Serienhäppchen von zehn Minuten allein fürs Smartphone ein Konkurrent von Netflix werden. Nun ist das Projekt am Ende.

Los Angeles - Erst hieß es, man suche nach einem Käufer oder Großinvestor, aber nun ist klar: Nach nur einem halben Jahr macht der amerikanische, weltweit agierende Streamingdienst Quibi den Laden wieder dicht. Man habe beschlossen, den Betrieb einzustellen und das verbliebene Geld den Investoren zurückzuzahlen, teilten die Gründer Jeffrey Katzenberg und Meg Whitman am Mittwoch mit.

Streaming für die Tiktok-Ära

An sich ist „Streamingdienst gibt auf“ nach Ansicht fast aller Branchenbeobachter eine der Schlagzeilen, die wir in den nächsten Jahren noch öfter lesen werden. Auf dem derzeit von Netflix und Amazon Prime Video beherrschten Markt werden schwerlich alle teils noch anstehenden Neueinsteiger überleben.

Gerade Quibi aber wollte sich vom Gedränge der anderen, die meist einen ähnlichen Mix aus Serien und Filmen anbieten, radikal absetzen. Man wollte moderner sein, ein Streamingdienst für die Tiktok-Ära – nur auf dem Smartphone, nicht auf dem TV-Apparat abspielbar, und auf Häppchen optimiert. Namhafte Talente aus Hollywood sollten hier eigens konzipierte Spielfilme und Serien in Zehn-Minuten-Portionen servieren.

Das Suchtpotenzial der Häppchen

Man wolle Hollywood und neue Technologien aus dem Silicon Valley zusammenbringen, hatten die beiden Gründer verkündet. Jeffrey Katzenberg war einst unter anderem Chef der Disney-Studios, Whitman hat die Handelsplattform Ebay zum Erfolg gebracht. Das klang ein bisschen blass, das Konzept war eigentlich pfiffiger – oder beängstigender, je nach Blickwinkel.

Im Klartext hieß der Gründungsgedanke: Wenn Menschen sich jetzt schon Stunden pro Tag in den Amateurfilmschnipseln oder den zusammengeklauten Fetzen von Musikvideos, Serien und Filmen auf Tiktok und Youtube und sonstwo verlieren können – wie viel höher muss das Suchtpotenzial sein, wenn der Content frisch, professionell und maßgeschneidert ist und Profis eine verringerte Aufmerksamkeitsspanne bedienen?

Hollywood hat investiert

Wirtschaftlich ging das Quibi (der Name steht für Quick Bites, also „schnelle Häppchen“) vermeintlich richtig an. Man ging nicht klein und zaghaft an den Start, sondern legte auf Risiko einen gut bestückten Streamingdienst vor: Sagenhafte 1,75 Milliarden Dollar Startkapital waren vorhanden, das Geld war unter anderem bei Hollywood-Schwergewichten wie Disney und NBC Universal eingesammelt worden.

Sehr optimistisch – vielleicht ja auch: sehr pessimistisch – gingen die härtesten Strategen der Bewegtbildbranche also davon aus, dass der kleine Filmhappen zwischendurch auf dem Smartphone eine große Zukunft haben würde. Gleichzeitig zweifeln viele an den Aussichten fürs Kino, am konzentrierten Schauen eines langen Filmes in einem bewussten, geplanten Erlebnis außer Haus.

Pleite trotz Emmys

Anfangs konnte Quibi Millionenzahlen melden. Kein Wunder, anders als jeder andere Streamingdienst bot man volle drei Monate gratis zum Schnuppern. Nach Ende der ersten Gratisphase aber wandelte wohl kaum jemand seinen Account in eine Bezahlvariante um. Ob das hauptsächlich an der Corona-Krise lag, wie Katzenberg nun meint, darf man zumindest bezweifeln. Derzeit sollen weniger als 100 000 zahlende Nutzer übrig sein, obwohl Quibi-Produktionen auf Anhieb zwei Emmys und zwei weitere Emmy-Nominierungen einheimsten.

350 Millionen seien vom Startkapital noch übrig, berichtete das „Wall Street Journal“ nach einer Telefonkonferenz der Quibi-Spitze mit Investoren. Das dürfte einige Investoren noch härter treffen als gewöhnlich: Disney zum Beispiel muss durch Corona enorme Verluste im Kino- und Erlebnisparkbereich verbuchen.