Die ganze Welt ist Bühne: Gadi (Alexander Skarsgård), Charlie (Florence Pugh) und Martin (Michael Shannon, von links) inszenieren den nächsten Agenteneinsatz des Mossad. Foto: BBC One/StarzPlay

Streaming wird komplizierter – vor allem wegen des Amazon-Channels StarzPlay, der jetzt nach „Killing Eve“ auch noch „Die Libelle“ und „Now Apocalypse“ exklusiv im Angebot hat.

Stuttgart - Wenn man mal all die Gadgets vergisst, mit denen Q die Arbeit von James Bond erleichtert, all die mehr oder weniger subtilen Arten, andere Menschen umzubringen, ignoriert, all die Vielflieger-Bonusmeilen außer Acht lässt, die sich bei diesem Job ansammeln – worauf kommt es dann wirklich im Spionagegeschäft an? Was macht einen guten Agenten aus? Die Antwort ist leicht: Er muss ein großartiger Schauspieler sein.

Wieder mal Shakespeares „Was ihr wollt“

Martin (Michael Shannon), der in den 1970ern für den israelischen Geheimdienst Mossad arbeitet, rekrutiert die Agentin, die er für seine nächste Mission braucht, deshalb nicht in irgendeinem Elite-Militärcamp. Er veranstaltet ein Casting und engagiert schließlich die Schauspielerin Charlie (Florence Pugh). Und wenn er sich zunächst als visionären Regisseur vorstellt, für den die ganze Welt die Bühne ist und der will, dass das Publikum gar nicht merkt, dass es einer Inszenierung beiwohnt, lügt er kein bisschen. Auch wenn er Charlie damit auf eine falsche Fährte lockt: „Oh je, ich wurde von einer experimentellen Theatertruppe gekidnappt!“

Ebenfalls ein guter Schauspieler ist Gadi (Alexander Skarsgård), der bei der Mission, bei der es darum geht, ein Bombenattentat zu verhindern, zu Charlies Method-Acting-Coach wird. Er nötigt sie dazu, knallig gelbe, blaue und grüne Kleider anzuziehen, während er sich unnahbar, aber verführerisch gibt. Und natürlich liest Charlie bei der ersten Begegnung mit Gadi rein zufällig Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“, in der der zum Philosophieren neigende Lord Jacques behauptet: „Die ganze Welt ist Bühne und alle Fraun und Männer bloße Spieler.“

John le Carré trifft auf Park Chan-wook

Eine britische Nachwuchsschauspielerin, die vom israelischen Geheimdienst angeworben wird, um in Deutschland palästinensische Terroristen aus dem Verkehr zu ziehen – das klingt abstrus. Das ist nicht weniger abwegig aber als der Einfall, den südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook („Oldboy“, „Sympathy for Mr. Vengeance“), der für seine stillen Exzesse, seine nihilistischen Schuld-und-Sühne-Szenarien, seine pedantisch-präzise Ästhetik bekannt ist, damit zu beauftragen, aus John le CarrésNahostkrimi „Die Libelle“ aus dem Jahr 1983 eine Serie zu machen.

Tatsächlich verweigert sich Park Krimikonventionen. Er verwandelt den Plot in eine psychologisch-philosophische Versuchsanordnung, in der die Grenzen zwischen Schein und Sein verschwimmen, zwängt seine Protagonisten in enge Räume, spielt grandios mit Farbe und Architektur und der Diskrepanz zwischen opulenter Musik und nüchterner Bildgestaltung.

Das merkwürdige Paarungsverhalten geschlechtsfreifer Großstädter

„The Little Drummer Girl“, so der Originaltitel der Serie und des Romans, weist damit all die Qualitäten auf, die man aus Parks Filmen kennt. Sein TV-Debüt ist in Deutschland nur bei StarzPlay verfügbar – einem bei Amazon Prime hinzubuchbaren Spartenkanal, der derzeit das Leben von Serienfans verkompliziert. Denn wer keine der aktuell relevanten Serien verpassen will, muss inzwischen selbst dann Lücken feststellen, wenn er ein Netflix-, Amazon- und Sky-Abo besitzt. Erst vor wenigen Tagen hat StarzPlay die Serie „Killing Eve“ gestartet, die die Thrillerüberraschung der Saison ist. Und kaum taucht Park Chan-wooks „Die Libelle“ im Programm auf, hat der Spartenkanal schon die nächste aufsehenerregende Serie im Angebot: „Now Apocalypse“.

Hinter der Serie stecken neben dem Produzenten Steven Soderbergh die ehemalige „Vogue“-Sexkolumnistin Karley Sciortino und Gregg Araki, der einer der prominentesten Vertreter des New Queer Cinema in den USA ist. Entsprechend farbenfroh, divers und sexuell offenherzig geht es in der surreal eingefärbten Comedyserie zu, die zum einen vom merkwürdigen Paarungsverhalten geschlechtsreifer Großstädter in Los Angeles und zum anderen von einer heimlichen Invasion reptilienartiger Aliens erzählt.

Spione, Sex und Stephen King

Kanal Starzplay ist ein sogenannter Amazon-Channel, den man zusätzlich buchen kann (4,99 Euro pro Monat), wenn man bereits Kunde von Amazon Prime ist.

Programm Der Starzplay-Channel setzt vor allem auf exklusive US-Serien. Neben „Killing Eve“ finden sich dort zum Beispiel die Stephen-King-Serien „Castle Rock“ und „Mr. Mercedes“.

Neustarts Seit dem 8. März sind alle sechs Episoden der Miniserie „Die Libelle“ für Abonnenten verfügbar. Die zehn Episoden der ersten Staffel von „Now Apocalypse“ werden seit dem 10. März nach und nach wöchentlich veröffentlicht.