Der Fanclub „D23“ stellt Disneys „Star Wars“ nach: ein Beweis für Markenmacht. Foto: AFP

Netflix erlebt einen schweren Rückschlag, denn Disney kündigt den Vertrag über die Auswertung seiner Filme und baut einen eigenen Streaming-Dienst auf.

Los Angeles - Die Maus, die brüllte“ hieß eine schräge Filmkomödie von Jack Arnold aus dem Jahr 1959. Wer in Hollywood nicht nur bis zu den Kassenergebnissen des letzten Wochenendes zurückdenkt, wird gerade öfter an Arnolds Filmtitel denken müssen. Denn gebrüllt hat das „Haus der Maus“, wie die Walt-Disney-Studios in der Branche genannt werden, und der Kampfschrei wurde gehört. Um fünf Punkte sackte die Aktie des Streaming-Dienstes Netflix ab, nachdem die bislang schlechteste Nachricht in der Musterknabengeschichte des Streaming-Champions bekannt wurde: Die Disney-Studios kündigen ihren Vertrag mit Netflix auf.

Mit logistischen Schwierigkeiten ist nicht zu rechnen

Ab 2019 werden die Marvel-Superheldenkracher, die Pixar-Animationshits und die „Star Wars“-Blockbuster nicht mehr automatisch als erstes nach der Kinoauswertung bei Netflix Station machen. Schlimmer noch für den bislang tonangebenden Streaming-Service: Disney hat angekündigt, zügig einen eigenen Streaming-Service mit Vollprogramm aufzubauen. Logistische Anfangsschwierigkeiten sind nicht zu erwarten: Das Studio hat in zwei Schritten für rund zweieinhalb Milliarden Dollar die Mehrheit an Bamtech erworben, einem Streaming-Dienst, der sich bislang auf Oberliga-Basketball konzentriert. Damit sichert sich das Haus der Maus Technologie, Knowhow und einen Abonnentenstamm zum Start seines künftigen Rundum-Angebots.

Vor der Jahrtausendwende wäre solch ein Schritt eines Hollywood-Studios für einen Geschäftspartner nicht ganz so dramatisch gewesen. Man hätte sofort Verhandlungen mit ähnlich starken, konkurrierenden Studios aufnehmen können. Aber die Lage hat sich völlig verändert. Von mittelfristiger Gleichheit der US-Filmstudios kann keine Rede mehr sein.

Die Disney-Studios, die mit dem Beginn der Computeranimationsära als heftig in Bedrängnis geratener Veteran galten, als greiser Meister der zum Sterben verurteilten Technik des klassischen Zeichentrickfilms, und die obendrein brachiale Kassenflops megateurer Filme erlebten, haben sich mit weitsichtigen Zukäufen und einem breit gestreuten, höchst lukrativen multimedialen Nachverwertungsgeschäft ganz weit nach vorne geschoben.

Disney ist eine Klasse für sich

Sechs der zehn Spitzenverdiener des Kinojahres 2016 kamen aus dem Hause Disney. Den Marken Marvel, Star Wars und Pixar hat niemand einen auch nur annähernd gleichstarken, langfristig durchplanbaren Umsatzpumpenpark entgegenzusetzen. Disney ist schlicht eine Klasse für sich. Nur das Studio Warner kann noch halbwegs in Sichtweise hinterherjagen. Paramount und Sony robben keuchend auf wundgescheuerten Knien durchs Tal der Tränen, Verkaufsgerüchte machen permanent die Runde. Universal und Fox reicht es derzeit wenigstens zum langsamen aufrechten Gang. Disney dagegen ist so potent und kreditwürdig, dass Insider der US-Medienbranche eigentlich einen ganz anderen Schritt erwartet hatten: den sündhaft teuren Aufkauf von Netflix durch das einst mit Micky Maus und Donald ins Geschäft gekommene Studio.

Noch sei über viele Preziosen nicht entschieden, verkünden Disneys Manager ominös. Es sei ja gar nicht klar, ob die künftigen „Avengers“-Filme, die „Star Wars“-Fortsetzungen und andere Hitkandidaten notwendig beim eigenen Streaming-Dienst Heimkinopremiere feiern müssten. Will heißen: für hitzige Bieterwettbewerbe zeigt man sich im Einzelfall offen. Den wird sich Netflix wohl lieber nicht erlauben. Die Entscheidung wird zugunsten von noch mehr Eigenproduktionen fallen, zum strategischen Versuch, langfristig auswertbare Marken unter eigener Kontrolle zu entwickeln. Spannend bleibt die Frage, ob Netflix dabei ganz auf Serien oder verstärkt auf Kinofilme in direkter Konkurrenz zu Disney setzen wird.