Kritiker erwarten von der Deutsche-Bank-Spitze mehr Klarheit. Foto: AFP

Der Branchenprimusmuss in seiner einstigen Königsdisziplin, dem Investmentbanking, um Marktanteile kämpfen. Gleichzeitig deutet sich ein neuerlicher Strategiewechsel an – der Verkauf der Postbank wird wieder in Frage gestellt.

Frankfurt - Die Deutsche Bank ist auf Schlingerkurs. Das betrifft nicht nur die Kapriolen am Aktienmarkt, sondern auch die Strategie: Statt die Postbank zu verkaufen, will der Vorstand die Tochtergesellschaft nun offenbar vollständig in den Mutterkonzern integrieren. Diese Überlegung wurde nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch dem Aufsichtsrat vorgelegt.

Der Hintergrund: Die Deutsche Bank hat bislang keinen Käufer für die Postbank gefunden. Das Hin und Her hängt aber auch damit zusammen, dass der Branchenprimus sieben Jahre nach der Finanzkrise noch immer auf der Suche nach einem überzeugenden Geschäftsmodell ist. Denn die lange Jahre wichtigste Sparte des Geldhauses, das Investmentbanking, ist vom Gewinnmotor zur Belastung geworden. Die umstrittenen Geschäte, für die der Bank heute milliardenschwere Strafen in den USA drohen, wurden überwiegend von Investmentbankern ausgeheckt.

Das Kapitalmarktgeschäft ist nicht mehr so rentabel wie vor der Krise

Doch es sind nicht nur die Altlasten, die den einstigen Regenmachern heute das Geschäft verhageln. Nach der Finanzkrise haben die Aufsichtsbehörden die Zügel angezogen. Riskante Transaktionen müssen heute mit mehr Eigenkapital unterlegt werden, damit die Banken gegen Verluste gewappnet sind und nicht vom Steuerzahler herausgehauen werden müssen. Seit 2009 seien die Erträge der im Kapitalmarktgeschäft aktiven Institute weltweit um 28 Prozent gesunken, schreibt die Unternehmensberatung Bain in einer aktuellen Studie.

Besonders stark von den neuen Vorschriften betroffen sei der Handel mit Staats- und Unternehmensanleihen, Währungen und Rohstoffen sowie die Verbriefung von Krediten. In diesem Segment ist die Deutsche Bank traditionell besonders stark vertreten. Als Reaktion auf die steigenden Auflagen hat Vorstandschef John Cryan bereits vor einem Jahr angekündigt, das Geschäft mit bestimmten Verbriefungen und besonders riskanten Kreditausfallversicherungen (CDS) einzustellen.

Deutsche Bank in Rankings abgestiegen

Dafür wollte Cryan allerdings im Aktienhandel sowie im Beratungsgeschäft, also der Begleitung von Börsengängen und Übernahmen, Marktanteile hinzugewinnen. Von diesem Ziel scheint die Deutsche Bank weit entfernt: In diversen Branchen- Rankings ist sie dieses Jahr abgestiegen. Das Analysehaus Coalition stufte das Institut beispielsweise von Rang drei auf Rang sechs unter den größten Investmentbanken weltweit herab. Immerhin wäre die Deutsche Bank demnach weiterhin die erste Adresse in Europa – doch auch um diesen Titel muss sie kämpfen: Laut dem Ranking des Branchendienstes Dealogic sind auch die europäischen Konkurrenten Barclays und Credit Suisse an den Frankfurtern vorbeigezogen.

Angesichts des scharfen Gegenwinds auf den internationalen Kapitalmärkten war das Vorhaben, die Postbank zu verkaufen, von Anfang an umstritten. Die 14 Millionen Kunden der Bonner Tochtergesellschaft seien „mitsamt ihren Einlagen für die Deutsche Bank förderlich“, meint beispielsweise der Aktionärsschützer Klaus Nieding. Zwar biete das Privatkundengeschäft geringere Ertragschancen als das Investmentbanking – „aber man hat eben auch die Sicherheit, dass man dort in Krisen nicht so viel Geld verliert“, sagte der Vizepräsident der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) dieser Zeitung.

Genau mit dem Argument, das Privatkundengeschäft als Stabilitätsanker auszubauen, hatte der frühere Bankchef Josef Ackermann 2010 auch die Übernahme der Postbank begründet. Seine Nachfolger Anshu Jain und Jürgen Fitschen gaben dann im Frühjahr 2015 die Verkaufspläne bekannt, die nach dem Führungswechsel wenige Monate später auch Cryan weiterverfolgte. Dass nun über eine Rolle rückwärts diskutiert wird, weckt Zweifel an den Führungsqualitäten des Briten: „Cryan ist sicherlich ein guter Aufräumer, aber was dem Kapitalmarkt fehlt, ist eine richtige Vision“, sagte Aktionärsschützer Nieding.