Umstrittene Reise: Bundeskanzler Olaf Scholz in China. Foto: AFP/Kay Nietfeld

Die Bundesregierung arbeitet an einer China-Strategie. Aus einem ersten Entwurf sind bereits Punkte nach außen gedrungen. Konflikte sind programmiert.

Die Analyse der Opposition ist eindeutig. Eine in sich stimmige China-Politik der Bundesregierung? Fehlanzeige. So hat es der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul gerade im Bundestag kritisiert. In China gibt es die größte Protestwelle seit Jahrzehnten – die Menschen wenden sich gegen die Null-Covid-Politik der Regierung. Es gibt Festnahmen und eine Nachrichtensperre. Wadephul sagte, das Regime stehe auf „tönernen Füßen“. Um einwirken zu können, müsse die Bundesregierung aber ihre Haltung klären.

Zwei Denkschulen

Zur Frage des richtigen Umgangs mit China gibt es zwei Denkschulen. Die eine legt besonderen Wert darauf, die Frage der Verletzung von Menschenrechten möglichst unmissverständlich anzusprechen. Dafür steht Außenministerin Baerbock. Die Grünen-Politikerin und ihr Ressort sind in der Bundesregierung federführend dafür zuständig, eine Chinastrategie zu erarbeiten.

Dass es eine solche geben soll, darauf hatten sich die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP bereits im Koalitionsvertrag verständigt. Es gibt seitens des Außenministeriums einen ersten Entwurf, der aber noch nicht abgestimmt ist. Darin werde harte Kritik an China geübt und die Bedeutung der Menschenrechte für die künftige Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen betont, berichtete der „Spiegel“. So sei von „massiven Menschenrechtsverletzungen“ in der Uigurenprovinz Xinjiang und in Tibet die Rede. Investitionsgarantien für Unternehmen – also das Geld mit dem der deutsche Staat im Zweifel einspringt, wenn etwas schiefgeht – sollen stärker geprüft und gedeckelt werden.

Die chinesische Regierung hat auf das, was öffentlich wurde, bereits reagiert – mit Empörung. Die „Verunglimpfung Chinas durch die deutsche Seite“ mit „Lügen und Gerüchten“ lehne man ab, hieß es aus dem chinesischen Außenministeriums.

Dafür steht Olaf Scholz

Die andere Denkschule im Umgang mit China ist, dass es wichtiger sei, Einfluss zu nehmen, als Missstände möglichst laut anzuprangern. Dafür steht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Vielen ist es bitter aufgestoßen, dass Scholz als erster westlicher Regierungschef den chinesischen Staatschef Xi Jinping besucht hat, nachdem dieser seine Macht ausgebaut hatte. Auch Baerbock ließ erkennen, wie wenig sie von dem Zeitpunkt hielt.

Scholz hingegen ist stolz auf darauf, dass sowohl er als auch die chinesische Führung in Peking erklärten, dass im Ukraine-Krieg keine Atomwaffen eingesetzt werden dürften. „Alleine dafür hat sich die Reise gelohnt“, sagte Scholz. Aus seiner Sicht war es die richtige Reise zum richtigen Zeitpunkt.

Bei den Sozialdemokraten wird generell kritisiert, Außenministerin Baerbock tue zu wenig, um Bündnisse mit den Staaten zu schmieden, die in Sachen des russischen Kriegs in der Ukraine nicht automatisch die Haltung des Westens teilten. Schaufensterpolitik ersetze keine echten diplomatischen Bemühungen, lautet der Vorwurf.

Die politischen Fragen sind das eine. Dahinter liegen aber überlebensgroße ökonomische Fragen. Zeigt der russische Krieg in der Ukraine nicht gerade, dass Deutschland ökonomische Abhängigkeiten reduzieren muss? Muss das dann jetzt auch im Verhältnis zu China gelten? Oder ist China als Markt und Handelspartner längst zu wichtig, als dass das überhaupt möglich wäre?

Der große Hafen-Streit

Wie schwierig das Thema im konkreten Fall ist, zeigte sich am Streit über die Beteiligung des chinesischen Konzerns Cosco an einem Containerterminal im Hamburger Hafen. Auf Betreiben von Scholz hat die Bundesregierung das Projekt genehmigt – mit einer Minderheitsbeteiligung für Cosco von 24,9 Prozent. Geplant war ursprünglich ein größerer Anteil. Mehrere Bundesministerien waren aus Sicherheitsgründen komplett gegen eine Beteiligung. Gleichzeitig gab es die Befürchtung, der Hamburger Hafen werde sonst bei vielen Geschäften außen vor sein.

Das von Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium dringt jedenfalls darauf, die deutsche Wirtschaft solle unabhängiger von China werden – und schlägt in einem unveröffentlichten Papier laut dem Nachrichtenportal „The Pioneer“ unter anderem vor, deutsch-chinesische Projekte politisch nicht mehr zu flankieren. Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Interne Arbeitstände und interne Prozesse kommentieren wir grundsätzlich nicht.“