Das Klima in der Landesregierung ist wegen der Debatte um die Diesel-Fahrverbote vergiftet. Neue Messungen sollen die Autos mit Euro-5-Norm retten.
Stuttgart - Im Kampf um die Senkung der zu Dieselfahrverboten führenden Stickstoffdioxidwerte wollen Grüne und CDU in der Landesregierung eine neue Richtung einschlagen. Bis zur nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses am 19. Februar sollen sehr konkrete Vorschläge auch zu neuen Messungen auf dem Tisch liegen.
Der wohl wichtigste Vorschlag soll die Schadstofflast an dem bundesweit bekannten Messort Neckartor auf einen Schlag von 71 auf zunächst 62 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft senken. Das wären zwar noch 22 Mikrogramm mehr als der EU-Grenzwert von 40, aber ein großer Schritt zu jenen 50 Mikrogramm, die die Bundesregierung in das Immissionsschutzgesetzes schreiben wird. Zwischen 40 und 50 Mikrogramm seien Fahrverbote nicht verhältnismäßig, da es sich nur um eine „geringfügige Überschreitung“ des EU-Wertes handele, so die Bundesregierung. Die Städte hätten mit der Änderung freie Hand, ein Fahrverbot bei der Annäherung an den 50er-Wert zu verwerfen.
CDU stellt Grüne vor die Wahl
Im Herbst will die Koalition im Land formal über ein erweitertes Fahrverbot auch für Euro-5-Diesel entscheiden. Es könnte vom 1. Januar 2020 an gelten. Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) hat klargemacht, dass es dieses Verbot mit der CDU nicht geben wird. Das Klima ist frostig. Beharren die Grünen angesichts des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts auf den Verboten, müssten sie sich womöglich einen neuen Regierungspartner suchen.
Wie aber kommt man zu besseren Werten? Zunächst mit dem Dieselverbot bis einschließlich Euro 4 und einer Busspur am Neckartor, für die eine Autospur entfällt. Neben diesen harten Eingriffen gibt es die Möglichkeit, mehr zu messen. Da gibt es Spielräume. Am Neckartor steht schon heute nicht nur der bekannte Container, aus dem heraus Feinstaub- und Stickstoffdioxidwerte auf die Homepage der Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW) gelangen.
Viele Passivsammler werden aufgestellt
Neben dieser kontinuierlichen Messung gibt es sogenannte Passivsammler – kleine, vergleichsweise günstige Einheiten, die sich in Kunststoffgebilden verbergen, die wie Abwasserrohre aussehen. Diese Passivsammler werden seit 2016 in einem gewissen Abstand zur Dauermessstelle beim Neckartor eingesetzt. Mit ihnen soll überprüft werden, ob die Messstelle repräsentative Werte liefert. Die kleinen Sammler, die alle zwei Wochen ausgetauscht werden, zeigten 2018 ein Spektrum von 57 bis 62 Mikrogramm, das waren bis zu zehn Einheiten weniger als 2017. Und deutlich weniger als jene 71, die das Umweltbundesamt für Stuttgart als bundesweit schlechtesten Wert bekannt gab.
Der höchste Wert kann gestrichen werden
Die Landesregierung wird nun eine Vielzahl solcher Passivsammler aufstellen. Nicht nur im Umfeld der Dauermessstelle am Neckartor, sondern sicher auch an zwei Stellen an der Prag- und der Hohenheimer Straße (2018: 70/65 Mikrogramm). Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat eine Erwartung formuliert: Wenn die Abweichung bleibe, „würde der 71er Wert am Neckartor wegfallen“. Er sei dann nicht mehr repräsentativ und rechtskonform. Die Modellrechnungen für die Belastung in der Stadt müsste man dann wohl auch erneuern.
Er halte es für „sehr viel wahrscheinlicher als noch vor einem halben Jahr, dass wir den Grenzwert einhalten“, hatte Hermann am Dienstag vor der Presse gesagt. „Wir tun alles, um Fahrverbote zu vermeiden, wir werden das Schadstoffproblem lösen“, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ergänzt.