Wer geblitzt wird, kassiert Punkte in Flensburg Foto: fotolia

Knapp eineinhalb Jahre nach Einführung des neuen Punkte-Systems für Verkehrssünder haben rund 1700 Kraftfahrer ein Fahreignungsseminar absolviert, damit ihnen ein Punkt gestrichen wird. Zu wenig, findet der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg

Berlin/Stuttgart - Seit dem 1. Mai 2014 ist bei acht Punkten Schluss: Dann ist der Führerschein weg. Daran müssen sich offenbar viele Autofahrer noch gewöhnen: Bis zu diesem Datum konnte man noch 17 Punkte sammeln, bei 18 erlosch die Fahrerlaubnis.

„Bislang haben noch nicht viele Fahrer ihren Führerschein verloren. Aber dafür ist das System einfach zu jung“, sagt Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Baden-Württemberg. Viele seien aber bei sechs oder sieben Punkten angekommen. „Einigen ist noch gar nicht bewusst, wie nahe sie vor dem Verlust des Führerscheins stehen.“ Da genüge noch eine Kleinigkeit, die zum achten Punkt führe.

Die Umstellung sei offenbar für viele Autofahrer schwierig. Auch sei vielen nicht klar, dass sie bei einem Punktestand von sechs und mehr auch gar keine Möglichkeit mehr hätten, die Punkte abzubauen. Das sei nur bei einem Punktestand bis fünf möglich. Der Gesetzgeber hat dazu das neue Fahreignungsseminar geschaffen. Wer daran teilnimmt kann einen Punkt löschen lassen. Angenommen werde dieses Rabattsystem bisher sehr zögerlich, sagt Klima.

Das Bundesverkehrsministerium hat von Mai 2014 bis März 2015 1100 Teilnehmer registriert. Hochgerechnet bis jetzt, wären das rund 1700 Teilnehmer. Dass es so wenige sind, führt Jochen Klima auf zwei Aspekte zurück. Zum einen sei eben vielen nicht klar, dass nach dem fünften Punkt nichts mehr gehe. Zum andern scheuten viele wohl aber auch die Kosten von rund 600 Euro, nur um einen Punkt abzubauen.

Seminar in vier Teilen

Die Behörden informieren die Kraftfahrer, wenn sie bei vier oder fünf Punkten angelangt sind. Wer bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten freiwillig ein Fahreignungsseminar besucht, kann nach dem neuen Bewertungssystem einmal in fünf Jahren einen Punkt abbauen. Das Fahreignungsseminar besteht aus einem verkehrspädagogischen Teil mit zweimal 90 Minuten in der Gruppe in einer Fahrschule und aus einem verkehrspsychologischen Teil mit zweimal 75 Minuten einzeln bei einem Psychologen.

Vor der Umstellung auf das neue System konnten Kraftfahrer noch wesentlich mehr Punkte gegen Fortbildungsmaßnahmen tauschen. Wer freiwillig ein Aufbauseminar besuchte, erhielt einmal in fünf Jahren zwei bis vier erstattet. Viele Fahrer glauben fälschlich – so die Einschätzung von Jochen Klima – dass es immer noch Möglichkeiten gebe, größere Mengen an Punkten zu tilgen.

Klima geht aber davon aus, dass die Nachfrage nach den Seminaren steigen wird. „Noch ist der Leidensdruck nicht groß genug.“ Das liege daran, dass zum Stichtag 1. Mai auch Fahrer von ihren Punkten befreit wurden, weil das Delikt, das zu den Punkten führte, nicht relevant für die Sicherheit war. Laut Bundesverkehrsministerium traf dies auf 148.000 Personen zu, die aus der Liste gelöscht wurden. 200.000 eingetragene Mitteilungen wurden gelöscht, das entspricht 0,7 Prozent. Inzwischen hätten einige dieser Personen aber wieder Punkte gesammelt. Deshalb werde die Zahl der Führerscheinentzüge bald steigen, vermutete Klima.

Jetzt schnellere Abfragen

Die Bilanz des Ministeriums knapp eineinhalb Jahre nach dem Wechsel ins neue System fällt positiv aus. 71 Prozent des Fahreignungsregisters seinen vollständig digitalisiert, das entspreche 6,2 Millionen Personen. Die Digitalisierung ermögliche künftig schnellere Abfragen.

Die Punkte Reform hat auch dazu geführt, dass sich mehr Menschen als bisher für ihren Punktestand interessieren. Im ersten Jahr nach der Umstellung wollten 16 Prozent mehr Menschen als im Vorjahr Auskunft darüber, wie sie in Flensburg gelistet sind.