Vor der Bühne entfaltete sich eine entspannte Atmosphäre. Foto: Andreas Essig

Drei Tage lang ist das Blühende Barock beim Residenzschloss fest in der Hand von Musikfans gewesen: Das Straßenmusikfestival entfaltete eine besondere Stimmung. Ein Bummel übers Gelände.

Musik, wo das Ohr auch hinhört: Üblicherweise verzückt das Blühende Barock Ludwigsburg seine Gäste mit dem charakteristischen Meer an Blumen und Pflanzen. Am Wochenende war es ein von vielen Farben durchwirkter Klangteppich, der sich über die florale Schönheit der Schlossparkatmosphäre legte.

Egal, wo man steht, Klänge von allen Himmelsrichtungen bahnen sich den Weg. Doch hat sich der Besuchende erst einmal aus elf Standorten für eine Bühne entschieden, ist die Fokussierung auf den dort erklingenden Stil leicht. Die Menschenmenge – die meisten haben es sich auf mitgebrachten Decken am Boden gemütlich gemacht – hilft dabei. Den Blick auf die Bühne gerichtet, gehen alle mit dem jeweiligen Künstler oder der Band vollkommen mit. Und das Gute-Laune-Barometer steigt.

Etwa bei der Band Karacan Kombo. Hier findet sich eine multikulturelle Symbiose in Mensch und Musik. Die von der Schweiz aus agierende Band entführt in nahe und ferne Klangwelten. Neben eigenen Kompositionen werden Lieder aus der Türkei und Umgebung in vielfältigen Rhythmen und Stimmungen frisch interpretiert. Zur anatolischen Musik gibt es auch orientalischen Tanz. Ein Barfuß-Mädchen verstärkt die Lebensfreude mit seinen anmutigen Bewegungen und nutzt dafür lediglich ein buntes Tuch, das es um die Hüfte geschlungen trägt. Auf Schmuck verzichtet die schlanke Tänzerin fast vollständig; ihr strahlendes Gesicht und die gekonnt-verführerischen Drehungen machen es mehrfach wett. Parallel dazu scheint die Künstlerin in einen feinen rhythmischen Dialog mit der grandios geführten Querflöte zu gehen.

Ein kurzer Ortswechsel, auf der Bühne stehen die Musiker von Beranger. Auch vor ihnen sitzt eine Schar begeisterter Zuhörer, die wie eine Fangemeinde wirkt. Beranger Gras ist ein französischer Pianist, der gemeinsam mit Todd James, einem Grunge-Schlagzeuger aus Australien, Independent-Rock und Blues auf smarte Weise ertönen lässt. Kurze Wege zwischen den einzelnen Bühnen, die nicht nur vor Ort übersichtlich ausgewiesen sind, sondern auch beim ausgehändigten Flyer, erleichtern die Orientierung auf dem großen Gelände, das beim Straßenmusikfestival gleich an drei Tagen zu einer überdimensionierten Freiluft-Konzertarena mutiert.

Kustan Adam schafft eine pulsierende Atmosphäre

Vorbei an geruchsintensiven Gewächsen und Bepflanzungen, die heuer in kräftigen Grüntönen auftrumpfen, überträgt die Luft Klangfetzen von anderen Bühnen. Zwei Paare mittleren Alters sind noch in Beratung darüber, ob sie einen Ortswechsel vornehmen sollen. Auf der Bühne ein paar Meter vor ihnen steht Kustan Adam mit seiner Gitarre. Der Sound des Singer-Songwriters ist lebendig mit starken Wurzeln im Blues und der Rockmusik der 60er Jahre, die er mit modernen und alternativen Elementen mischt. Der Solokünstler schafft eine pulsierende Atmosphäre verrauchter Bars und Straßen.

Kontrastprogramm bei der Bajram Agushev Band mit Balkanmusik, eine Klezmer-Formation, die mit ihren Trompetenfanfaren schon von weiter her zu sich lockt. Die Bühne steht vor gewaltigen Rhododendrenbüschen und gibt den Blick auf die Burg des Märchengartens frei, wo sonst Rapunzel auf Zuruf ihren Zopf nach unten gleiten lässt. Auch Kinder bewegen sich ausgelassen zu der lebhaften, von kräftigen Trommelschlägen durchsetzten Musik.

Internationale Besetzung erzeugt bunte Vielfalt

Sleepwalker’s Station macht akustischen Welt-Folk in fünf Sprachen und vier Dialekten. Durchtränkt von Nuancen aus Flamenco, französischem Chanson, Italo-Hip-Hop und alpenländischer Liedermachertradition. Das Ganze kommt gut an beim Publikum und gibt der Band, die bereits mehr als zehn Mal beim Straßenmusikfestival teilgenommen hat, ein gutes Gefühl. Der Römer Jakopo Cavoli spielt zu ausdrucksvollen Arrangements seine Trompete leidenschaftlich und ebenso hingebungsvoll, wie der Spanier Daniel Escortell am E-Kontrabass wirkt.

Dritter im Bunde ist der Sänger Daniel del Valle aus Bayern, der sich mit der Gitarre begleitet und die Songs stimmtechnisch perfekt abrundet. Für ihn ist es „ein schöner Moment, sich wieder in Ludwigsburg zu treffen“, wie er im Gespräch sagt. „Wir kennen inzwischen einen Großteil der Künstler und lieben diese familiäre und entspannte Atmosphäre. Hinzu kommt, dass wir hier ein wirklich gutes Zuhörpublikum haben. Das will man als Musiker ja haben, wenn wir unsere eigenen Stücke vorspielen.“ Los gehts, während die Abendsonne mittlerweile die Happening-Szenerie in goldenes Licht taucht, mit dem Song „Winter in Berlin“. Nicht unbedingt passend, gibt del Valle zu. Wem der Auftritt zu kurz war, zieht einfach mit ihm um zur nächsten Bühne.

Die Straßenkünstler haben weite Reisen hinter sich

Unterwegs trifft man vielleicht auf Borja Catanesi, der den Namen Straßenmusiker mehr als verdient hat. Der ausgelassen spielende Gitarrist animiert auch Vorbeigehende zum Mitmachen. Luftgitarre spielen und den Kopf á la Jimmy Hendrix schütteln. Der spanische Musiker ist schon durch halb Europa getourt. Mit einer Loop-Station nimmt er live Gitarrenriffs, Basslinien und Beatbox-Sequenzen auf und schafft so einen kompletten Sound bei seinen Auftritten, die nach Funk, Reggae, Blues und Rock & Roll klingen. Vor Kurzem gewann Borja Catanesi den ersten Preis der Universal Street Games in Minneapolis, USA, einem weltweiten Wettbewerb für Straßenkünstler.

Wer hat das Festival gewonnen?

Platz 1
Beim Abschlusskonzert ist das Duo Beranger als beste Formation geehrt worden. Die Kombination aus Piano und Drums kam bei der Abstimmung vor Ort am besten an.

Plätze 2 und 3
Die folgenden Siegerränge belegten die Sissos, ein Geschwister-Acoustic-Duo aus Australien, und die Jivers mit Vocal Swing der 1930er und 1940er Jahre aus Argentinien.