Akrobatik pur: Der Nachwuchs der Gesellschaft Titzo Ditzingen zeigt, was er kann. Mehr Eindrücke vom Hafenscherbenfest und vom Gerlinger Straßenfest finden Sie in unserer Bildegalerie. Klicken Sie sich durch. Foto: factum/Bach

Regnerisches und kühles Wetter trübt das Straßenfest und das Hafenscherbenfest – dieses steht sogar auf dem Prüfstand.

Gerlingen/Ditzingen - Dank Bürgern wie Sabine Reimann und Oliver Windeck sind das Gerlinger Straßenfest und das Ditzinger Hafenscherbenfest am Samstagabend nicht wie ausgestorben. Recht kühl ist das Wetter zwar das ganze Wochenende über. Doch als es am Samstag am frühen Abend immer stärker regnet, blicken die Vereine sorgenvoll zum Himmel. Viele Festbesucher gehen nach Hause. Andere drängen sich unter die Pavillons, spannen ihre Regenschirme auf oder ziehen ihre Kapuzen tief in die Stirn.

Sabine Reimann und Oliver Windeck aus Gerlingen trotzen dem Wetter. „Wir gehen jedes Jahr zum Straßenfest, bei Wind und Wetter. Wir sagen dann möglichst alle anderen Termine ab“, sagt Sabine Reimann. Sie und Windeck lieben das „schöne Zusammenkommen“, das sie „kulturell und interkulturell“ bereichere. „Wir unterhalten uns zum Beispiel sehr gern mit den Menschen aus Gerlingens Partnerstädten“, erzählt die wackere Besucherin.

Bilanz

Wegen des Wetters kommen insgesamt deutlich weniger Menschen als sonst zu den zwei Festen. Etwa 3500 Menschen besuchen an den beiden Tagen das Gerlinger Straßenfest. Der Festkomitee-Vorsitzende Siegfried Hahn spricht von Einbußen von 50 Prozent für die Vereine am Samstag. „Auch am Sonntag lief es eher schleppend, wenngleich die Einbußen an diesem Tag geringer sind“, bedauert Hahn. Keiner habe sich dieses Mal durch völlig überfüllte Straßen schieben müssen, und nur wenige ehemalige Klassenkameraden hätten sich an den Dreh- und Angelpunkten wie dem Urbanbrunnen getroffen. „Wenigstens konnte das Bühnenprogramm wie geplant stattfinden“, sagt Hahn.

Ähnlich durchwachsen sieht die Bilanz in Ditzingen aus. Bettina Kandziora vom Kulturamt schätzt, dass am Samstag rund 2000 Menschen beim Hafenscherbenfest waren, am Sonntag seien es immerhin etwa drei Mal so viele gewesen. „Bei den Auftritten der Bands und beim Auftritt des Comedy-Duos Helge und das Udo am Samstagabend war es aber zeitweise richtig voll“, sagt Bettina Kandziora halbwegs zufrieden.

Geht es nach der Stadt, hätte das diesjährige Hafenscherbenfest, das alle zwei Jahre gefeiert wird, bereits zu Beginn der Sommerferien stattgefunden, anstatt erst an deren Ende. Denn auch bei den Hafenscherbenfesten 2013 und 2015 hatte es an diesen späteren Terminen geregnet. Die Vereine befürworteten aber wieder das letzte Wochenende der Sommerferien.

Nun steht das Hafenscherbenfest, für das die Stadt Ditzingen in diesem Jahr rund 35 000 Euro ausgegeben hat, erneut zur Diskussion – und zwar nicht nur was den Termin angeht, sondern auch den Charakter. Anlass ist neben des regelmäßigen Regens ein Jubiläum: 2019 ist es 1250 Jahre her, dass die ehemals selbstständigen Orte Ditzingen und Hirschlanden erstmals urkundlich erwähnt wurden. Das will die Stadt groß feiern.

„Wir werden uns mit den Vereinen zusammensetzen und das Hafenscherbenfest auf den Kopf stellen“, kündigt der Kulturamtsleiter Thomas Wolf an. Möglicherweise erwartet die Besucher im Jahr 2019„etwas komplett Anderes“, und das auch noch drei statt zwei Tage lang, sagt Wolf, der auch vom Wesen des Straßenfestes weg will. „Jeder Ort feiert ein Straßenfest. Da fällt das eigene Fest doch gar nicht mehr auf“, begründet Wolf.

Der Leiter des Kulturamts hofft nun vor allem auf die Kreativität und die Offenheit der Mitwirkenden. Am Hafenscherbenfest beteiligten sich in der Regel immer dieselben Organisationen mit denselben Angeboten, vor allem, was das Essen betrifft. „Es ist schwer, die Vereine davon zu überzeugen, einmal etwas Neues anzubieten“, sagt Wolf, der es trotzdem versuchen wird.

Vereine

Für die Mitwirkenden ist die Teilnahme an Festen die Gelegenheit, sich zu präsentieren, für sich zu werben und die Vereinskasse aufzubessern. Beim Ditzinger Obst- und Gartenbauverein geht der Plan offenbar auf. „Wir haben bisher nach jedem Hafenscherbenfest ein paar neue Mitglieder dazugewonnen“, sagt der Vorsitzende Günter Jörg. Die Besucher kämen an den beiden Tagen auch zum Stand des Vereins, um sich fachlich beraten zu lassen. Zum Beispiel, wenn die Tomaten oder der Basilikum nicht so recht wachsen wollen. Jörg sagt, dass die Gewürzkräuter am Rande des Stands die Einzigen seien, die sich über den vielen Regen freuten.

Eugen Thumm vom Gerlinger Segelverein nennt Feste wie das in Gerlingen gar eine „Pflichtveranstaltung“. „Gerade in Zeiten, in denen viele Vereine aus Mangel an Nachwuchs aufhören“, sagt Thumm. Er schätzt das Gerlinger Straßenfest auch deshalb, weil „das Preisgefüge für Familien erschwinglich“ ist. Sabine Wahl, die Vorsitzende der KSG, bewundert jedes Jahr die Vielfältigkeit des Straßenfestes, kulinarisch wie kulturell. „Da wird einem bewusst, wie riesig und vielfältig die Vereinslandschaft in Gerlingen ist“, sagt Wahl.

Sicherheit

Auf den beiden Festen kommt es weder zu Pöbeleien noch zu Schlägereien oder sonstigen Ausschreitungen. „Es ist alles friedlich verlaufen“, sagen Siegfried Hahn und Bettina Kandziora am Sonntagnachmittag einstimmig. Das Gerlinger Straßenfest habe am Samstagabend gegen halb eins geendet. „Die Jugendlichen, die noch da waren, haben ihre Getränke ausgetrunken und sind dann gegangen“, sagt Hahn. In Ditzingen wurden in der Marktstraße vor dem Fest zwei Lieferwagen so aufgestellt, dass sie die Straße versperren. Insgesamt sei in beiden Städten ausreichend Sicherheitspersonal vor Ort gewesen.

Freundschaft

Traditionell kommt eine Delegation aus den Partnerstädten zu den Festen nach Ditzingen und Gerlingen. Die Frauen und Männer bringen Köstlichkeiten aus ihrer Region wie zum Beispiel Langos mit, eine Spezialität der ungarischen Küche. Beim Gerlinger Straßenfest gab es in diesem Jahr eine Neuerung: Die Vertreter aus den Partnerstädten Seaham (England), Tata (Ungarn) und Vesoul (Frankreich) sowie aus dem thüringischen Gefell, mit dem Gerlingen eine langjährige Freundschaft pflegt, präsentieren sich gemeinsam im sogenannten Partnerstadts-Dörfle in der Urbanstraße – und nicht wie bisher in einer Reihe auf der Hauptstraße.

Aus der englischen Partnerstadt Seaham sind in diesem Jahr besonders viele Vertreter da. Mit 40 Personen habe man fast ein ganzes Flugzeug füllen können, scherzt Gerlingens Bürgermeister Georg Brenner bei seiner Eröffnungsrede am Samstag auf der Bühne auf dem Rathausplatz. In diesem Jahr floss das Bier beim traditionellen Fassanstich übrigens nach nur einem Schlag. „Normalerweise braucht man drei oder mehr Schläge“, kommentiert Brenner seinen Rekord nicht ohne Stolz.