Immer wieder Stau: Remseck soll durch den Nordostring entlastet werden. Foto: Max Kovalenko

30 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes Baden-Württemberg werden in der Region Stuttgart erzeugt, doch nur 14 Prozent der Straßenbauinvestitionen landen hier. Deshalb schrieb der Verband Region Stuttgart an den Verkehrsminister. Wir kennen die Antwort.

Stuttgart - Vielen Regionalpolitikern über Fraktionsgrenzen hinweg ist das Missverhältnis ein Dorn im Auge. 30 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes werden in der Region Stuttgart erwirtschaftet, in der schon heute ein Viertel der Baden-Württemberger leben und die in den nächsten Jahren einen überproportionalen Zuzug erleben wird. Doch beim vom Bund finanzierten Ausbau der Autobahnen und Bundesstraßen sollen nach der Umsetzungskonzeption des Landes gerade einmal rund 14 Prozent in der von Staus geplagten Kernregion investiert werden. Auf einen Bittbrief der Regionaldirektorin Nicola Schelling nach mehr Investitionen und einer raschen Planung des umstrittenen Nordostrings hat der Ministerialdirektor des Verkehrsministeriums, Uwe Lahl, jetzt abweisend reagiert. Das interne Schreiben von Ende Juni mit dem Aktenzeichen 2-3941.11/303*57 liegt dieser Zeitung vor.

Heftige Kritik aus der Politik

Die Lahl-Aussagen rufen innerhalb der Regionalpolitik schon jetzt heftige Reaktionen hervor – besonders im Bezug auf das Streitthema Nordostring. Die Debatte über die Straßenverbindung von der B 27 bei Kornwestheim zur B 14 bei Fellbach wird auch deshalb intensiver, weil erstens Bundestagswahlkampf ist und zweitens bis Ende des Jahres entschieden wird, ob die Trasse in den neuen Regionalverkehrsplan aufgenommen wird. Bisher haben die Befürworter aus CDU, Freien Wählern und FDP eine klare Mehrheit gegenüber den Gegnern von Grünen, SPD und Linken, die sich in dem Schreiben Lahls bestätigt sehen.

Darin betont der Ministerialdirektor die ablehnende Position von Minister Winfried Hermann (Grüne) – und verschärft sie noch. Der Umstand, dass der Bau nur in einer nachrangigen Kategorie eingestuft sei, „zeigt keine klare Positionierung durch den Bund“. Dem Argument, dass der Nordostring zusammen mit einer noch nicht konkretisierten Filderauffahrt einen Beitrag zur Minderung des Feinstaub- und Stickoxidproblems in Stuttgart leisten könne, erteilt Lahl eine klare Absage. „Das ist nicht zielführend“, heißt es in dem Brief, da die Projekte nicht kurzfristig zu realisieren seien, die Gerichte aber eine rasche Verbesserung der Schadstoffsituation verlangten. „Anstatt auf den Nordostring zu setzen, will ich den Ausbau und die intelligente Nutzung der Hauptverkehrsachsen A 8 und A 81 rund um Stuttgart“, erklärt Lahl.

Verkehrsminister am Pranger

Diese Strategie erzeugt Ärger, besonders bei der CDU, die mit am grün-schwarzen Kabinettstisch in Stuttgart sitzt. Als die CDU-Regionalfraktion nun auf einem Vor-Ort-Termin in Remseck sich mögliche Trassen vor Ort anschaute, stand das Landesverkehrsministerium am Pranger. Der Waiblinger Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer, der auch Vorsitzender der Regionalfraktion ist, sagte, aufgrund der über Jahre gesicherten Straßenbauzuschüsse des Bundes müsse im Land gehandelt werden: „Früher war der Engpass die Finanzierung. Das gilt jetzt nicht mehr, das Geld ist da. Der neue Engpass ist die Planung.“

Das Ministerium müsse deshalb den Nordostring so rasch wie möglich planen und die Filderauffahrt, obwohl sie nicht im Bundesverkehrswegeplan stehe, als Umfahrung und Entlastung der Stuttgarter City politisch angehen. Jetzt sei es auch möglich, so Pfeiffer, negative Auswirkungen des Nordostrings zu verringern: „Es sind Einhausungen und Untertunnelungen denkbar.“ Stuttgart und andere Kommunen wie Fellbach und Kornwestheim müssten von „ihrer Verweigerungshaltung“ wegkommen. Wenn die Stadt Stuttgart weniger Autos im Zentrum wolle, müsse sie den Nordostring unterstützen.

Wirtschaftlichste Projekte vorrangig

Lahl freilich betont in dem Schreiben, dass die Personalkapazitäten der Regierungspräsidien mit den im Bau befindlichen und laufenden Planungen ausgelastet seien. Bis zum Herbst werde es ein Stufenkonzept geben, welche Projekte in den nächsten Jahren geplant würden. Dabei seien die „wirtschaftlichsten und wirksamsten Projekte“ vorrangig. Schellings Vorschlag, auch die Wirtschaftskraft einer Region bei der Auswahl zu berücksichtigen, hält Lahl „nicht für sachgerecht“.

Den Nordostring will das Ministerium momentan also nicht planen, für eine Filderauffahrt sieht Lahl, da sie nicht im Bedarfsplan enthalten ist, „keine Grundlage für Planungsüberlegungen“. Das sehen die CDU-Politiker anders. „Wir erwarten vom Koalitionspartner im Land, dass er mit der Planung beginnt“, sagte Pfeiffer.