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Um den Straßenbau im Land ist eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Standards entfacht.

Stuttgart - Um den Straßenbau im Land ist eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Standards entfacht. Während die einen für eine Absenkung aus Kostengründen plädieren, warnen die anderen davor, am falschen Ende zu sparen.

Als der Luftfotograf Manfred Grohe zu seinem 70. Geburtstag vor knapp zwei Jahren gefragt wurde, wie sich die Landschaft in Baden-Württemberg während seiner 45-jährigen Tätigkeit verändert habe, fielen dem Kirchentellinsfurter als Erstes die Straßen ein: Immer breiter seien sie geworden, und fast jedes Dorf besitze mittlerweile eine Umgehungsstraße. Tatsächlich hat heute jeder Feldweg im Südwesten die Ausmaße und Qualität einer Bundesstraße aus den 50ern. Das Fahren ist komfortabler und sicherer geworden, dennoch drängt sich manchmal die Frage auf: Muss es wirklich so perfekt sein? Oder reichen hier und da nicht auch ein paar Zentimeter weniger Asphalt?

Eine Straße - egal ob Kreis-, Landes- oder Bundesstraße - zählt nämlich zu den teuersten staatlichen Einrichtungen. Der Bau von einem Kilometer Landstraße kostet eine Million Euro - wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt "Bei Ortsumgehungen mit schwierigeren Verhältnissen hinsichtlich Topografie und Linienführung und der Notwendigkeit von Unterführungen oder Lärmschutz können es auch zwei Millionen oder mehr sein", erklärt Gert Klaiber, Leiter der Abteilung Straßenwesen im Stuttgarter Innenministerium. Bei einem Straßenbauetat für Erhalt und Ausbau von 160 Millionen Euro im Jahr und einem Landstraßennetz von 9940 Kilometern ist das eine ganze Menge. Viel lässt sich damit jedenfalls nicht bauen und ausbessern.

"Die Asphaltschichten werden noch dicker"

Es sei denn, man würde die Standards herabsetzen. Die sind im internationalen Vergleich nämlich ziemlich hoch. Ein bisschen schmälere Trassenführungen und etwas weniger Schotter, schon ließen sich mit dem eingesparten Geld andere, lang aufgeschobene Projekte realisieren - meint zumindest ein Teil der SPD-Fraktion im Landtag. "Wir kamen durch eine Anfrage zum Radwegebau auf das Thema", erklärt Parteichef Nils Schmid. In dem Antrag aus dem vergangenen Jahr legte das Innenministerium dar, dass Radwege in Südbaden eine Mindestbreite von 2,5 Metern aufwiesen, die Wege in Südwürttemberg dagegen nur 2,25 Meter. Begründet wird dies mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten durch die verschiedenen Regierungspräsidien.

Schmid, zugleich Mitglied des Finanzausschusses, nahm dies zum Anlass, "mal darüber nachzudenken", ob es auch bei den Landesstraßen nicht unterschiedliche Standards gibt - und ob sich die Straßenplaner nicht besser an den untereren statt an den oberen Vorgaben orientieren sollten. Freilich ohne die Sicherheit zu gefährden, wie Schmid ergänzt. Gleiches gelte für den Lärmschutz, für den andere Länder - rein gestalterisch - weniger Aufwand betrieben. "Da würde es vielleicht auch mal eine einfache Wand tun, auch wenn es nicht so schön aussieht", so der SPD-Politiker. Sein Vorschlag: Der Rechnungshof solle sich nach den Radwegen auch mal den Landesstraßenbau genauer ansehen.

Der Chef der Straßenbauverwaltung im Innenministerium winkt ab. Er weist darauf hin, dass für das Anlegen von Straßen bundeseinheitliche Standards gelten würden, was den Spielraum des Landes schon einmal begrenze. In Baden-Württemberg sei der Straßenbau wegen der teilweise schwierigen Topografie generell teurer, erklärt Klaiber: "Das ist jedes Mal ein Abwägungsprozess. Einerseits gibt es das stete Bestreben, Kosten zu senken. Andererseits macht es aus Sicherheitsgründen auch keinen Sinn, die Charakteristik einer Strecke, sprich Neigung und Kurvenradien, in kurzen Abständen zu ändern." So kann eine Straße auch mal ein bisschen breiter als nötig werden.

Im Vergleich zu früher sind die Planer aber generell darauf bedacht, die Straße in die Landschaft zu integrieren und bei Bedarf auch mal schmäler zu bauen. Stichwort Naturschutz und Flächenverbrauch. "Da gibt es heute weitgehende Vorgaben, die Baumaßnahmen häufig wesentlich verteuern", sagt Klaiber. In den 70er Jahren waren die Straßen noch breiter als heute. Der Unter- und Aufbau hingegen wächst mit der steigenden Verkehrslast ständig. Was nach Meinung des Straßenbau-Experten auch der Trend der Zukunft sein wird. "Die Asphaltschichten werden noch dicker."