In der Ortsdurchfahrt von Mögglingen staut sich oft der Verkehr – jetzt kommt eine Umgehungsstraße. Foto: dpa

Die Baufreigabe des Bundes für drei lange beantragte Straßen-Neubauprojekte in Baden-Württemberg hat vor Ort Jubel ausgelöst. In anderen Städten jedoch Kopfschütteln: So sitzt etwa Pforzheim auf der Prioritätenliste weit vorne – geht vorerst aber leer aus.

Stuttgart - Wenn es um die Vergabe der Bundes- und Landesmittel für Straßenbau geht, geloben die Politiker stets maximale Transparenz. Die Entscheidung, welches Vorhaben zum Zuge kommt, sei jederzeit klar nachvollziehbar. Denn es liegen Kriterienkataloge zugrunde, an denen die Straßenbauprojekte ganz objektiv gemessen werden.

So müsste die Freude im Land jetzt eigentlich allerorten ungetrübt sein: Der Bund hat aktuell vier Vorhaben mit Gesamtkosten von 234,8 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Was allerdings stutzig macht: Die vier vom Haushaltsausschuss des Bundestages erwählten Projekte orientieren sich nur zum Teil an der Priorisierung des Landes. Offenbar sind die Drähte einzelner Abgeordneter ins Bundesverkehrsministerium doch besonders kurz.

Norbert Barthle (CDU) kann dies sicher für sich beanspruchen. Der Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd räumt frank und frei ein: „Meine Position im Haushaltsausschuss war sicher nicht schädlich.“ Barthle ist Obmann der CDU im Haushaltsausschuss. Ihm ist es jetzt gelungen, die Ortsumgehung Mögglingen in seinem Wahlkreis nach vorne zu puschen. Barthle macht erst gar keinen Hehl daraus, dass er alle Register gezogen hat, um das sieben Kilometer lange Straßenstück zu puschen. Sogar eine Eil-Pressekonferenz beraumte er an, um seinen Erfolg zu verkünden. Dort wartete er mit der Neuigkeit vom Durchbruch für die Ortsumgehung Mögglingen auf.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte Barthle darüber in einem Schreiben informiert, noch bevor er die grün-rote Landesregierung ins Bild gesetzt hatte. Dobrindt hatte ganz offensichtlich zuerst Parteifreunde informiert – und dann erst Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann mit grünem Parteibuch.

Der will sich das nicht bieten lassen: „ Das Verfahren, dass der Bund gezielt vorab einzelne CDU-Politiker informiert hat, ist nicht akzeptabel.“ Doch Hermann geht es nicht nur um Formalien, sondern vor allem um die Inhalte. Mögglingen sei bei der Priorisierung des Landes schließlich nicht zufällig im hinteren Drittel gelandet. Bei den Kriterien Nutzen-Kosten-Verhältnis, Netzfunktion, Verkehrssicherheit und Umweltverträglichkeit konnte die Ortsumgehung kaum punkten. So stufte Hermanns Verkehrsministerium den Abschnitt unter „Baubeginn erst mittelfristig möglich“ ein.

Barthle ist es gelungen, diese Bewertung zu konterkarieren. Hermanns Argument, dass vom Lärm auf der bestehenden Ortsdurchfahrt nur 800 Menschen betroffen seien, greife nicht, sagt Barthle. Vielmehr stünden dort regelmäßig 30 000 Fahrzeuge im Stau. Auch die angeblich schlechte Netzfunktion der geplanten Umgehungsstraße stimme nicht: „Die B  29 ist Achse ins Oberzentrum Augsburg und direkte Verbindung nach Bayern.“ Dass die Umgehung Grünland zerschneide, findet Barthle akzeptabel: „Wäre eine Führung durch Wohngebiete besser? „So gelang es ihm, den Haushaltsausschuss von den Vorteilen einer Umfahrung Mögglingen zu überzeugen.

Der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann sieht durch solche Alleingänge aber die im Land erarbeitete Priorisierung ausgehebelt. „Wir haben ein nachvollziehbares Verfahren gefunden, die transparente Priorisierung hat Ruhe reingebracht.“ Formell habe natürlich der Bund das Sagen, so Hermann. In internen Gesprächen werde das Vorgehen von Baden-Württemberg dort aber gelobt. Das Land meldet wie die anderen Länder, eine Liste der baureifen Bundesfernstraßen an, nimmt aber als einziges Bundesland eine Priorisierung vor.

In mehreren Fällen ist der Bund dabei den Vorschlägen des Landes gefolgt. So auch jetzt mit dem Ausbau der B 31 zwischen Friedrichshafen und Immenstaad am Bodensee. Die 106 Millionen Euro teure Maßnahme führt die Prioritätenliste des Landes nach Punkten an. Beim Nutzen-Kosten-Verhältnis und bei der Lärmentlastung erreicht der Abschnitt die höchstmögliche Punktezahl. Bund und Land sind sich also einig. Allerdings soll auch dort der CDU-Bundestagsabgeordnet für den Bodenseekreis, Lothar-Riebsamen, von Dobrindt unterrichtet worden sein, noch bevor die Nachricht offiziell wurde. Die ebenfalls jetzt vom Bund genehmigte Ortsumgehung Holzgerlingen (B 464 im Kreis Böblingen) findet sich auch auf der Landesliste in der Gruppe der dringlichsten Fernstraßen. Dort überbrachte der CDU-Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger die Nachricht. Vierte jetzt bewilligte Maßnahme ist – allerdings aus Sondermitteln – der Ausbau der A 8 an der Landesgrenze zu Bayern. Auf der Landesliste rangiert die Maßnahme nur im Mittelfeld.

Lange Gesichter gibt es etwa in Pforzheim. Mit dem Bau der seit 30 Jahren geforderten Westtangente müsste – ginge es nach der Priorisierung des Landes – schnellstmöglich begonnen werden. Auf der Liste mit 20 vordringlichen Vorhaben rangiert sie gleich hinter Friedrichshafen/Immenstaad nach Punkten auf Platz 2. Jetzt herrscht dort Ernüchterung: „Der Bau des A-8-Knotens Pforzheim-West war unser Hoffnungsträger, dass jetzt auch die Westtangente gebaut wird – doch jetzt endet das Riesenbauwerk im Nichts“, sagt Pforzheims Pressereferent Michael Strohmayer. Dennoch gibt die Stadt die Hoffnung nicht auf: Im September wird eine Abordnung von neun Abgeordneten in Berlin vorstellig werden und für die Trasse werben. Wie groß der Ärger in Pforzheim ist, dass andere vorgeprescht sind, lässt Strohmayer offen: „Es ist nicht das Kriterium, ob wir uns ärgern und ob andere Trassen schneller gebaut werden. Wichtig ist, dass die Westtangente Pforzheim gebaut wird.“