Das Verkehrsministerium verteidigt sein Vorhaben, die marode Aichtalbrücke (Kreis Esslingen) im Bestand zu erneuern – unter Vollsperrung der B 312. Das sind die Gründe.
Die Aichtalbrücke soll ersetzt werden. Denn das 1161 Meter lange und 27 Meter breite Bauwerk über die Aich ist in die Jahre gekommen, ein Abriss „aufgrund der vorhandenen Tragfähigkeitsdefizite unvermeidbar“, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Geplant ist ein Neubau an Ort und Stelle – unter Vollsperrung der vielbefahrenen Bundesstraße 312 Doch warum baut man eigentlich nicht parallel zum Bestand eine neue Brücke?
Mit dieser Frage hat sich der FDP-Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Nürtingen, Dennis Birnstock, jüngst an die Landesregierung gewandt. Die Antwort aus dem Ministerium lautet: „Die Planung eines Parallelbaus, die mit massiven Eingriffen in das vorhandene Biotop verbunden wäre, ist in der Findung der Vorzugsvariante frühzeitig ausgeschieden.“
Kosten für einen Neubau parallel zur Aichtalbrücke werden nicht beziffert
Die in der Stellungnahme angeführten Gründe verwundern Birnstock laut eigener Aussage. Denn jetzt gehe es nicht mehr vorrangig um die wirtschaftlichste Lösung, kritisiert er: Ein wesentliches Argument für den Ersatzneubau im Bestand war, dass die Kosten dafür geringer seien. Das Verkehrsministerium geht eigenen Angaben zufolge derzeit von 18 Millionen Euro aus. „Aber das stellt eine grobe Kostenschätzung dar“, fügt man hinzu. „Eine detaillierte Kostenberechnung erfolgt im Zuge der Entwurfsplanung.“ Wie teuer ein Neubau direkt neben der Aichtalbrücke käme, diese Frage des FDP-Politikers blieb unbeantwortet.
Jetzt, so moniert Birnstock, werde vielmehr der Naturschutz als Argument gegen den Parallelbau ins Feld geführt. Das Ministerium verweist darauf, dass sich in unmittelbarer Umgebung der B-312-Brücke sogenannte magere Flachland-Mähwiesen befinden. Diese seien zwar nicht Teil eines ausgewiesenen Flora- und Fauna-Schutzgebietes, stünden aber unter besonderem gesetzlichem Schutz. Das Land teile hier die Einschätzung der Bundesregierung, dass die Voraussetzungen für die Errichtung eines Ersatzneubaus neben der jetzigen Brücke „aus naturschutzfachlicher Sicht voraussichtlich nicht gegeben“ seien.
Das Land fühlt sich dem Schutz der Mähwiesen verpflichtet
Das Land trage „eine besondere europaweite Verantwortung für den Schutz und die Erhaltung dieses Lebensraumtyps“, heißt es in dem Antwortschreiben. In Baden-Württemberg gebe es insgesamt über 62 000 Hektar Mähwiesen, das seien gut 30 Prozent der geschätzten Mähwiesenfläche Deutschlands. Um dem seit vielen Jahren zu verzeichnendem Verlust dieser Flächen zu begegnen, habe sich die Landesregierung die forcierte Wiederherstellung selbiger zum Ziel gesetzt.
Was Birnstock sauer aufstößt: Bei all den Abwägungen zum Naturschutz werde die Belastung der Bevölkerung „völlig außer Acht gelassen“. Eine Vollsperrung der Aichtalbrücke würde „zweifelsohne zu einer enormen Zunahme des Durchgangsverkehrs in der Stadt Aichtal führen – mit allem, was dazu gehört: Lärm, Stau und Verschleiß der Ortsdurchfahrten.“
Naturschutz darf Nöte der Menschen nicht einfach ausblenden
Das alles, ist Birnstocks Überzeugung, müsse ebenfalls in die Waagschale geworfen werden. „Der Naturschutz darf die Nöte der Menschen nicht einfach ausblenden.“ Der FDP-Politiker fordert daher, dass die verschiedenen Varianten „mit allen Fakten“ offengelegt werden und die frühzeitige Fokussierung auf einen Ersatzneubau im Bestand „unter Berücksichtigung der Belastung der Bevölkerung“ überprüft werde.
Über die Pläne für den frühestens ab 2028 möglichen Neubau der Aichtalbrücke informieren die beauftragte Arbeitsgemeinschaft, das Stuttgarter Regierungspräsidium und die Stadt Aichtal am Montag, 6. Oktober, um 18.30 Uhr in der Festhalle Aich.