Nicht nur, dass das Sparbuch für Städte längst nicht mehr attraktiv ist, jetzt kann es sogar teuer werden, dort hohe Summen zu parken. Foto: dpa

Seit die Europäische Zentralbank Strafzinsen auf geparktes Geld erhebt, finden die Städte im Land immer pfiffigere Modelle, um nicht zu viel auf der hohen Kante zu haben. Noch besser ist es, wenn sie ein Darlehen brauchen.

Stuttgart - Das Angebot stammte zwar nicht von der Hausbank. Dennoch konnte Knut Sievers da nicht nein sagen: Um das Girokonto der Stadt Fellbach (Rems-Murr-Kreis) flüssig zu halten, hatte der Kämmerer im Herbst nach einem neuen Kassenkredit gesucht. Eine Bank aus Hamburg bot mit einem Zinssatz von 0,05 Prozent die besten Konditionen. Offenbar haben schwäbische Kommunen im hohen Norden einen guten Ruf. Das Kuriose daran ist nämlich: Die Stadt muss den Zins nicht zahlen, sondern bekommt zur Kreditsumme die 0,05 Prozent als Belohnung obendrauf. Da ist man gern verschuldet.

Bisher waren solche Positivzinsen eine Fatamorgana aus den Tiefen der Finanzwelt. Doch inzwischen kommen die Auswüchse der Niedrig- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) auch bei Großunternehmen und zunehmend bei den Kommunen an. So erlebte die Stadt Konstanz im vergangenen Jahr das Gleiche wie Fellbach, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Als überschüssiges Geld auf den Girokonten parkte, verlangte die Sparkasse Bodensee von der Stadt einen Strafzins. Gegenwärtig müssen Banken 0,4 Prozent bezahlen, wenn sie Geld bei der Zentralbank hinterlegen. Für die Stadt Konstanz gibt es bei der Sparkasse einen Freibetrag. Doch wird er überschritten, „gibt die Sparkasse diesen Zinssatz an uns weiter“, erläutert der Sprecher der Stadt, Walter Rügert.

Nicht alle Banken langen zu

Viele, aber nicht alle Banken im Land verfahren so. Bisher erhebe man noch keine Strafzinsen, sagt die Sprecherin der Kreissparkasse in Ludwigsburg, Isabel Kurz. Allerdings beobachte man den Markt genau. In Gebieten mit schwächerer Struktur langen die Geldinstitute schon zu. Auch Schopfheim (Kreis Lörrach) und Heidenheim haben laut dem Ergebnis einer Blitzumfrage des Städtetags bereits Strafzinsen bezahlen müssen. So etwas sei zwar ärgerlich, sagt Rügert, allerdings fielen diese Verwahrgelder, wie die Banken die Strafzinsen bezeichnen, in der Praxis kaum ins Gewicht. „Wir haben eine gute Liquiditätsstrategie.“ Mehr als 2000 Euro an solchen Zinszahlungen seien im vergangenen Jahr für die Stadt Konstanz nicht angefallen.

Wohl dem dagegen, der in diesen Tagen Geld benötigt. So profitierte etwa der Landkreis Karlsruhe von der aktuellen Marktlage. Im Haushaltsplan hatte der Kreistag den Rahmen der Kassenkredite von 50 auf 80 Millionen Euro erhöht. Eigentlich habe man damit gerechnet, dass dies den Kreis 500 000 Euro zusätzlich pro Jahr an Zinszahlungen koste, sagt der Finanzdezernent Ragnar Watteroth. Die „kuriose Zinsstruktur“ habe allerdings dazu geführt, dass bisher überhaupt keine Mehrkosten entstanden seien. „Mal haben wir einen niedrigen Zinssatz bezahlt, mal haben wir etwas bekommen“, sagt Watteroth.

Die eigenen Töchter als Bank

„Ein gutes Liquiditätsmanagement ist wichtig“, sagt auch Stefanie Hinz vom Städtetag. Vor allem reiche Kommunen haben es darin zu einer gewissen Geschicklichkeit gebracht. „Wir verteilen unsere Geldanlagen auf mehrere Banken, um die Freigrenzen auszunutzen“, sagt Anette Hochmuth von der Stadt Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg). Durch ein umfassendes Schulsanierungsprogramm hat die schuldenfreie Stadt außerdem ihre Rücklagen innerhalb von drei Jahren von 50 auf 20 Millionen Euro reduziert. Das nicht minder betuchte Biberach hat Geldsummen als Darlehen an städtische Töchter wie die Stadtwerke, die Hospitalstiftung oder den Eigenbetrieb Stadtentwässerung vergeben, um den Stand der städtischen Konten niedrig zu halten und Strafzinsen zu vermeiden.

Allerdings lassen sich auf den städtischen Girokonten starke Ausschläge nicht verhindern, weil Steuerzahlungen und Abgaben oft quartalsweise eingehen. In Freiburg hat man deshalb einen Cashpool eingerichtet. Darüber wickeln auch alle Eigenbetriebe und städtische Gesellschaften ihren Zahlungsverkehr ab. Weil deren Ausgaben und Einnahmen unterschiedlichen Rhythmen folgten, glichen sich Schwankungen gegenseitig aus, sagt die Sprecherin der Stadt, Edith Lamersdorf. „Ich finde, das ist ein geniales System.“