Die falschen Fotos auf dem Handy können großen Ärger bereiten. Foto: dpa/Silas Stein

Corona führt zu weniger Verurteilten in Baden-Württemberg. Nur eine Deliktgruppe schert aus der Statistik aus – die Gründe dafür sind überraschend.

STUTTGART - Corona hat nicht nur Spuren im reguläre Wirtschaftsleben hinterlassen, sondern auch den Verbrechern und Gerichten das Leben erschwert. Zu diesem Schluss jedenfalls kommt die Strafverfolgungsstatistik des Landes für das Jahr 2020. Mit 103 800 verurteilten Straftätern lag diese Zahl im abgelaufenen Jahr um 6100 unter dem Vorjahr, das ist ein Rückgang um 5,5 Prozent. „Der Rückgang der Verurteilungen erstreckt sich über nahezu alle Deliktsbereiche“, sagte Justizministerin Marion Gentges am Mittwoch bei der Präsentation des Berichts. Es gebe nur eine Ausnahme: Bei Verurteilungen im Bereich der Sexualdelikte „ist ein Anstieg um 5,8 Prozent zu registrieren“.

Warum gehen die Zahlen zurück?

In vielen Bereichen kann ein direkter Zusammenhang mit dem Lockdown vermutet werden. Die Menschen müssen zu Hause bleiben, das bedeutet auch, dass weniger Hitzköpfe auf der Straße aneinandergeraten. Körperverletzungsdelikte sind vor den Gerichten im Land um 9,6 Prozent weniger verurteilt worden. Wer daheim ist, der schützt seine Wohnung schon durch die Anwesenheit vor Einbrechern: Verurteilungen wegen Diebstahls und Unterschlagung sind um mehr als zehn Prozent zurückgegangen.

Warum gibt es mehr Sexualdelikte?

In diesem Bereich steigen die Verurteiltenzahlen seit vier Jahren. Das hängt unmittelbar mit einer im Jahr 2016 beschlossenen Gesetzesverschärfung zusammen. Seitdem wird zum Beispiel das Begrapschen schärfer geahndet. Zudem wächst in diesem Bereich die Sensibilität für Fehlverhalten, es werden mehr Taten zur Anzeige gebracht.

Trifft das alle Altersklassen?

Nein. Die Anzahl von verurteilten Erwachsenen sei in diesem Bereich um zwei Prozent gestiegen, die Verurteilung von Heranwachsenden um 30,4, die von Jugendlichen sogar um 33,3 Prozent. Ein besonderes Problem in dieser Altersklasse ist nach Angaben der Ministerin das Versenden von pornografischen Bildern von Kindern und Jugendlichen untereinander. Auch in diesem Bereich gab es Gesetzesverschärfungen, alleine der Besitz solcher Bilder auf dem Handy werde nun als Verbrechen verfolgt, sagt Marion Gentges. Die Justizministerin fordert mehr Aufklärung darüber, was den Kindern und Jugendlichen rechtlich droht.

Welche Straftat ist die häufigste?

Ohne Autos und ohne Alkohol hätten die Gerichte im Land deutlich weniger Arbeit – ganz besonders ohne die Kombination dieser beiden. Ein Viertel aller verurteilten Personen ist im vergangenen Jahr wegen Straßenverkehrsdelikten belangt worden, auf den Plätzen folgen Betrug und Untreue (17 Prozent) und Diebstahlsdelikte (13 Prozent).

Deutsche und Ausländer

Das Statistische Landesamt hat sich tief in die Datensätze eingearbeitet, Präsidentin Anke Rigbers präsentierte nun das Ergebnis: 60 100 Verurteilungen entfielen im vergangenen Jahr auf Deutsche, 43 700 Verurteilte hatten einen ausländischen Pass. Bei den Deutschen gingen die Verurteilungen um 5,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück, bei den Nichtdeutschen um 5,2 Prozent.

Wie wurde bestraft?

Mit gewaltigem Abstand am häufigsten ist von den Gerichten im Land eine Geldstrafe verhängt worden. 84 100 Straftäter, das sind 81 Prozent, mussten für ihr Fehlverhalten im tatsächlichen Sinne des Wortes bezahlen. 13 900 Menschen, das sind 13,4 Prozent, wurden zu Freiheitsentzug verurteilt. 4200 aus dieser Personengruppe bekamen keine Bewährung. Die übrigen Verurteilungen verteilen sich auf Zuchtmittel und Erziehungsmaßnahmen.

Erledigte Fälle

Die Pandemie hat nicht nur weniger Fälle vor Gericht gebracht, dort wurden auch weniger Akten abgearbeitet als gewöhnlich. Im Frühjahr hatte das Ministerium den Gerichten empfohlen, nur noch unaufschiebbare Fälle mündlich zu verhandeln, über das Jahr sank die Zahl der Erledigungen somit um 7,25 Prozent. Im zweiten Halbjahr habe sich die Lage jedoch schon wieder gebessert, sagt Marion Gentges. Verbrecher seien deswegen jedoch nicht ohne Strafe auf freien Fuß gesetzt worden – bei dringenden Angelegenheiten seien die Gerichte auch in Hochzeiten der Pandemie präsent gewesen.