André Reuter hat die Facebookseite der Polizei Stuttgart ständig im Blick. Foto: Leif Piechowski

Die Facebook-Arbeit der Stuttgarter Polizei hat sich seit 2012 weiterentwickelt, auch Fahndungen werden mittlerweile im sozialen Netzwerk eingestellt – allerdings bisher ohne Bilder der Gesuchten. Der Datenschutz bereitet weiter Kopfzerbrechen.

Stuttgart - Es ist morgens um drei, als ein Räuber-Duo am Bahnhof Zuffenhausen zwei 16 und 17 Jahre alten Opfer mit einer Waffe bedroht. Mit Handys und Bargeld verschwinden die Täter im Dunkel der Nacht. Doch unbemerkt bleiben sie nicht – eine Überwachungskamera filmt ihre Flucht. Die Bilder sind bald darauf in verschiedenen Medien zu sehen. Drei Tage später meldet die Stuttgarter Polizei auf ihrer Facebook-Seite im Internet: „Die zwei Männer haben sich aufgrund des hohen Drucks durch die öffentliche Fahndung mit Echtbildern gestellt.“ Eine Erfolgsgeschichte also. Wie gemacht für ein Netzwerk wie Facebook?

„Wir erreichen damit viele Menschen, die wir sonst nicht erreichen würden“, ist André Reuter überzeugt. Er gestaltet die Facebookseite der Polizei Stuttgart seit Anfang des Jahres. Der 24-jährige Polizeikommissar hat den Zeugenaufruf online geschaltet, allerdings nur mit einer Beschreibung der Tat und ohne die Fotos. „Wir veröffentlichen bisher keine Bilder von Vermissten oder Verdächtigen auf Facebook“, sagt Reuter. Das könnte sich bald ändern: Die Innenministerkonferenz berät noch über Fahndungsbilder im Netzwerk. „In Zukunft soll der Umgang mit Sozialen Netzwerken bundeseinheitlich geregelt werden“, sagt Günter Loos, Sprecher des Innenministeriums Stuttgart. „Die Projektgruppe ‚Soziale Netzwerke’ hat einen Bericht dazu veröffentlicht, der jetzt der Justizministerkonferenz vorliegt.“

Keine Fahndungsfotos direkt auf Facebook

Vorreiter ist die Polizei Niedersachsen, die das brisante Bildmaterial über Facebook einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Mit Erfolg: Vor kurzem stellte sich ein Vergewaltiger in Hannover, nachdem die Fahndung auf Facebook erschienen war. Auch in Stuttgart wird seit Anfang August in einem Vergewaltigungsfall ermittelt. Der Zeugenaufruf auf Facebook erreichte eine rekordverdächtige Resonanz: Fast 9000 sogenannte Freunde verbreiteten ihn weiter. „Die Reichweite lag aber um einiges höher, 380 000 bis 390 000 Menschen hat diese Meldung erreicht“, sagt André Reuter. Hätte die Suche mit einem Phantombild auf Facebook vielleicht schon zum Täter geführt? Schwer zu sagen, denn auch die bisherigen Ermittlungserfolge waren nicht eindeutig auf das Netzwerk zurückzuführen. „Wir rufen die Nutzer dazu auf, sich bei uns direkt zu melden, also nicht über Facebook Hinweise zu schicken. Wie die Zeugen auf einen Aufruf aufmerksam wurden, wird dann nicht abgefragt“, sagt Reuter.

Klar ist, dass es keine Fahndungsfotos direkt auf Facebook geben wird. Nur über Verlinkungen wird diskutiert. „Man muss aber auch dann darauf achten, dass das Vorschaubild auf Facebook nicht die gesuchte Person abbildet“, sagt Reuter. Sonst könnte es passieren, dass das Bild an unerwünschter Stelle wieder auftaucht. Löschen kann man Bilder nicht, auf den Zentralrechnern des US-Konzerns sind sie weiterhin gespeichert.

Und genau das will die Polizei bei brisantem Bildmaterial vermeiden. Denn die Rechner befinden sich in den USA, fern von jeglichem Datenschutz nach deutschen Recht. Facebook kann zudem rechtsstaatlich kaum kontrolliert werden. „Es ist eine Gratwanderung, aber die Vorteile überwiegen“, sagt Reuter. Die Schnelligkeit des Mediums, die hohe Reichweite und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was veröffentlicht wird – echte Pluspunkte.

Stuttgart 21 spielt mittlerweile keine große Rolle mehr

Die Entscheidung war umstritten. „Es herrschte breite Ablehnung“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach, „aber wir mussten es tun.“ Er denkt dabei an den Einsatz rund um Stuttgart 21. Damals hofften die Beamten über Facebook und Twitter, einen weiteren Online-Informationskanal, Kontakt zu den Demonstranten aufnehmen zu können und Falschmeldungen schnell und öffentlichkeitswirksam zu berichtigen.

Stuttgart 21 spielt mittlerweile keine große Rolle mehr – doch Facebook hat sich in der Polizeiarbeit etabliert. André Reuter ist den ganzen Tag beschäftigt, die Seite zu betreuen, auf Kommentare zu reagieren und Nachrichten zu überwachen. „Einerseits warne ich vor Taschendieben oder K.o.-Tropfen, andererseits läuft unsere Nachwuchsarbeit mittlerweile auch über die Seite“, sagt er. Die meisten polizeilichen Inhalte hat er als sogenannten Inline-Frame eingestellt. Facebook liefert dabei nur den Rahmen für einen Pfad, der auf die polizeilichen Rechner führt. Ein ähnliches System könnte auch bei Fahndungsfotos eingesetzt werden.

Reuter selbst nutzt Facebook auch privat. „Um mit Freunden in Kontakt zu bleiben und um mich zu informieren“, sagt er. Misstrauisch ist er trotzdem geblieben: „Persönliche Daten habe ich so gut wie keine drin.“