Vergewaltigungsopfer sollen in Zukunft besser geschützt werden. Die Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchefin Uta-Maria Kuder (CDU, Mitte), schlug vor, künftig jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe zu stellen. Foto: dpa

Muss eine Frau um sich schlagen, um ihre Vergewaltigung abzuwehren oder reicht auch ein „Nein“, um den sexuellen Übergriff später vor Gericht zu bringen? Die Justizminister von Bund und Ländern sind sich nun einig: Im Strafgesetzbuch muss sich dringend etwas ändern.

Berlin - Vergewaltiger sollen künftig auch ohne konkreten Widerstand ihrer Opfer bei der Tat bestraft werden können. Dazu will Bundesjustizminister Heiko Maas Lücken im Strafrecht schließen. Es gehe nicht um eine Verschärfung des Strafmaßes, sondern um „Konstellationen“ von sexueller Gewalt, die derzeit im Gesetz nicht definiert werden, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Berlin. Nach dem Beschluss seiner Länder-Ressortkollegen, den bei Experten als zu mild geltenden Paragrafen 177 im Strafgesetzbuch auf den Prüfstand zu stellen, will Maas „schnellstmöglich“ einen Reformentwurf vorlegen.

Die Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchefin Uta-Maria Kuder (CDU), schlug nach der Herbstkonferenz vor, künftig jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe zu stellen. Bislang müssten Frauen bei Vergewaltigungen „noch eine Art von Gegenwehr erbringen“, der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung habe aber bedingungslos zu gelten, sagte die CDU-Politikerin. Dass der Konferenz-Beschluss einstimmig gefasst wurde, sei ein „wichtiges Signal“. Früher hätten männliche Minister bei diesem Thema eher skeptisch reagiert, das habe sich nun geändert.

Maas betonte, er habe über eine Gesetzesreform mit den Regierungsfraktionen von Union und SPD bereits gesprochen. „Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie.“ Allerdings bleibe wohl das Problem, dass im Falle von Vergewaltigungen oft Aussage gegen Aussage stehe und es dann heiße: im Zweifel für den Angeklagten. Daher sei Sorgfalt notwendig, um die Situation von betroffenen Frauen auch wirklich zu verbessern. Die Verurteilungsquote in diesem Bereich sei derzeit mit etwa zehn Prozent „außergewöhnlich niedrig“ und die Dunkelziffer hoch, bedauerte Maas. Es sei aber nun klar, „dass es Schutzlücken gibt, und wir wollen die Schutzlücken auch schließen“.

Zu den bisher nicht im Gesetz abgedeckten „Konstellationen“ von sexueller Gewalt gehört laut Maas etwa, wenn Frauen sich bei dauernder häuslicher Gewalt aus Angst vor ihrem Partner nicht zu wehren wagen. Auch die Drohung eines Vergewaltigers mit beruflichen Nachteilen sei ein solcher Fall. Auf die Frage, „wie viel Widerstand eine Frau leisten muss, damit es sich um Vergewaltigung handelt“, gebe das geltende Recht nicht immer eine klare Antwort, räumte der Bundesminister in der „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstag) ein.

Gesine Agena, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, nannte den Vorstoß „richtig und überfällig“ angesichts einer „opferfeindlichen Gesetzeslage“. „Viel zu oft werden Vergewaltigung und sexuelle Nötigung nicht bestraft, weil der Tatbestand nach geltendem Strafrecht nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen vorliegt. Ruft das Opfer aus Scham oder Angst vor körperlicher Gewalt nicht um Hilfe, ist der Tatbestand nicht erfüllt.“ Die Opferschutz-Organisation „Weißer Ring“ betonte, die Folgen der bisherigen Gesetzeslage in Gerichtsprozessen führten „bei den Opfern zu dem Eindruck, nicht geschützt und alleine gelassen zu werden“.