Ein eigenes Unternehmensstrafrecht fordert die SPD – zum Ärger des Koalitionspartners. Foto: dpa

In der Koalition ist eine Debatte darüber ausgebrochen, ob ein Unternehmensstrafrecht notwendig ist – die SPD glaubt das.

Berlin - Nehmen wir an, ein Bankhaus hat systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet. Dann können zwar einzelne Angestellte strafrechtlich belangt werden, aber nicht das Unternehmen selbst. Es kann nicht geschlossen werden. Es gibt allenfalls Geldbußen nach dem Ordnungswidrigkeiten-Recht – maximal 10 Millionen Euro, illegale Gewinne können abgeschöpft werden. Reicht das?

In Deutschland gewinnt die Debatte an Fahrt, ob wir ein Unternehmensstrafrecht brauchen. Das ist eigentlich eine Überraschung, denn im Koalitionsvertrag findet sich dazu nur ein softweicher Prüfauftrag. Aber es war klar, dass sich Union und SPD in der Sache nicht einigen können. Nun aber macht die SPD dieses Fass doch wieder auf. Der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese sagt unserer Zeitung: „Wir brauchen dringend ein wirksames Unternehmensstrafrechts, das ein scharfes Schwert im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität ist.“ Wenn sich ein Unternehmen fortgesetzt nicht an die Rechtsordnung halte, solle „nicht nur eine konkrete Person, sondern auch das Unternehmen als Ganzes belangt werden können“. Er unterstütze deshalb eine Bundesratsinitiative aus NRW.

Tatsächlich liegt im Bundesrat ein Gesetzentwurf aus NRW, der ein scharfes Unternehmensstrafrecht vorsieht – mit Sanktionen wie Geldstrafen, den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen – und als letztes Mittel die Auflösung des Unternehmens. In der Antragsbegründung wird darauf verwiesen, dass zwar der Anteil der klassischen Wirtschaftskriminalität an den bekannt gewordenen Straftaten unter zwei Prozent liege. Dagegen entfalle aber über die Hälfte des Gesamtschadens von acht Milliarden Euro auf Wirtschaftsstraftaten. Zudem steige die Zahl der Marktteilnehmer. Die Zahl der als juristische Person oder Personengesellschaft organisierten Marktteilnehmern mit einem Umsatz von mehr als 17500 Euro sei von 868437 im Jahr 2000 auf 980722 in 2010 gestiegen. Dabei nehme der Anteil an Einzelfirmen zugunsten großer Konzerne ab.

Ist das eine hinreichende Begründung? Die CDU findet das nicht. Christian von Stetten ist mittelstandspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Er sagt: „Ein eigenständiges Unternehmensstrafrecht stellt Unternehmen unter Generalverdacht.“ Auch Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher, hält das geltende Recht für „ausreichend“. Ein Unternehmensstrafrecht nehme „den mittelständischen Unternehmen die Luft zum Atmen“ und stelle „Unternehmen öffentlich an den Pranger“.

Die Fachwelt diskutiert munter. Der Bund deutscher Kriminalbeamter ist für das Strafrecht, der Richterbund ist skeptisch. Vielleicht liegt dem Streit aber auch eine Verwirrung zugrunde, der sich am Klang des Wortes Strafrecht entzündet. Professor Ulrich Sieber ist Direktor des Max-Planck-Instituts für internationales Strafrecht. Er weist im Gespräch mit unsrer Zeitung darauf hin, dass auch ein neues Unternehmensstrafrecht „kein Strafrecht im herkömmlichen Sinne, sondern – selbst wenn es im Strafgesetzbuch geregelt würde – etwas anderes“ wäre. Seine Sicht ist geeignet die Gemüter abzukühlen. Er sagt nämlich, dass sich hohe finanzielle Sanktionen, Betriebsschließungen oder sonstige Sanktionen im Unternehmens-Ordnungswidrigkeitsrecht genau so erreichen ließen. Der Unterschied bestehe „im Element des stärkeren ethischen Vorwurfs, der mit der Etikettierung des Strafrechts und des kriminellen Handelns verbunden ist“. Entscheidend seien aber nicht die Etiketten, sondern die Schaffung von „Anreizen für die Einführung von guten Compliance-Systemen“. Das sei „der Königsweg“. Soll heißen: Das Recht solle positiv berücksichtigen, wenn sich Unternehmen gegen Kriminalität, etwa Korruption, aktiv schützen, zum Beispiel durch Mitarbeiterschulungen. Eine Verpflichtung dazu könnte im Gesetz stehen.