Der Schiedsrichter ist die höchste Instanz auf dem Platz. Foto: dpa

Für eine Tätlichkeit gibt es vom Referee die Rote Karte. Aber wer garantiert einen ordnungsgemäßen Trainingsablauf? Auch Amateurvereine regeln das mittels detaillierten Strafenkatalogen. Wenn das Handy klingelt, kostet es fünf Euro.

Stuttgart - Nebel liegt über dem Trainingsplatz des Landesligisten TV Echterdingen. Die Spieler sind schwer auseinanderzuhalten. Nur einer sticht heraus: David Milojkovic trägt ein giftgrünes Leibchen, das „Eselstrikot“. Gerechte Strafe für eine jüngst begangene Eselei: Milojkovic wurde beim letzten 5-gegen-2 von einem Teamkameraden getunnelt. Deshalb trägt er das grüne Shirt. Milojkovic ist nicht geknickt: Gelingt ihm selbst ein Beinschuss, darf er das Trikot an den Getunnelten abgeben.

Solche Neckereien sind fantasievolle Ergänzungen zu ganzen Katalogen mannschaftsinterner Maßnahmen, die ernsteren Zielen dienen: der Sanktionierung sozialen Fehlverhaltens. Kodizes existieren von der Bundesliga bis in die Kreisklasse. „Das ist gang und gäbe“, bestätigt Mark Stütz, Spielleiter des B-Ligisten PSV Stuttgart: „Im Fußball ist das immer üblich gewesen.“

Der Echterdinger Bußgeldkatalog umfasst 20 Posten – einschließlich der Frage, was geschieht, wenn Strafen zu spät berappt werden. Der PSV Stuttgart kommt mit einem halben Dutzend grundlegender Benimmregeln aus, deren Beachtung im Alltag selbstverständlich sein sollte. Beschlossen hat den Katalog die PSV-Mannschaftsversammlung, basisdemokratisch. Damit auch alle voll dahinter stehen und sich jeder zur Einhaltung wie auch zur Einforderung der Regeln verpflichtet fühlt. Mit geringem Aufwand herrscht eine hohe Selbstkontrolle, die nicht an die Person eines Trainers gebunden ist. Neben allerlei Nachlässigkeiten in Training und Spiel wie verlorenen Rundläufen und verschossenen Elfmetern ahnden solche Regularien die kleinen und größeren Disziplinlosigkeiten auf und neben dem Platz.

Wer beim TV Echterdingen seine Trainingsklamotten vergisst, zahlt zwei Euro pro Teil in die Mannschaftskasse. Klingelt das Handy in der Kabine, kostet das fünf Euro, genauso wie der Konsum von Alkohol oder Zigaretten auf dem Sportgelände. Wer seinen Balldienst nicht erledigt, muss zur Strafe die Leibchen waschen. Ebenso ärgerlich ist Unpünktlichkeit: Zuspätkommen zum Training kostet fünf Euro, unentschuldigtes Fehlen das Achtfache. Bei Nichterscheinen zum Spiel werden bis zu 50 Euro fällig. Am schwersten wiegen verbale oder tätliche Angriffe im Spiel: Zusätzlich zur Roten Karte durch den Schiedsrichter fließen vom Sünder 100 Euro in die Kasse, die der Vizekapitän verwaltet. Eine enorme Summe in der Landesliga, wo das Fußballspiel primär ein Zeitvertreib ist.

So sind die Geldstrafen beim PSV Stuttgart in der B-Liga in etwa halb so hoch. Dort ist man sich auch des Umstands bewusst, dass für Kreisligaspieler berufliche und familiäre Verpflichtungen Vorrang haben. Stütz betont daher die Dehnbarkeit der Regelungen: „Wenn einer im Stau steht, dann sagt er Bescheid. Das ist gar kein Thema.“

Jugendspielern Geldstrafen anzudrohen ist psychologisch, pädagogisch und rechtlich heikel. Hier werden in aller Regel Sondertraining und Mannschaftsdienste verhängt. Kollektivstrafen verstoßen gegen das gerechte Prinzip von Ursache und Wirkung. Deshalb stehen sie in den vorgestellten Mannschaften nicht auf der Tagesordnung.

Teambildende Maßnahmen sollen Mannschaftsgeist stärken

Freizeitbeschäftigung und Professionalität, Spieldrang und System, Eigensinn und Gehorsam, Integration und Abschreckung stehen im Interessenkonflikt. Dass bei Amateuren der Spaß im Vordergrund steht, zeigen kreative Ergänzungen: Am Geburtstag wird der Geehrte beim TV Echterdingen verpflichtet, eine Kleinigkeit mitzubringen oder ein Kabinenfest zu organisieren. Der Kasten Bier gilt als anerkannte Währung.

Solche teambildenden Maßnahmen sollen den Mannschaftsgeist stärken – und auch die Kasse füllen. Alle Einnahmen werden in die Mannschaft reinvestiert: Der TV Echterdingen finanziert von den internen Strafgeldern Mannschaftspullis und die bevorstehende Weihnachtsfeier, der PSV Stuttgart organisiert davon Tagesausflüge. Beim Saisonabschluss lässt man es richtig krachen.

Im Halbprofibereich erreichen Disziplin und Professionalität eine andere Dimension. So auch das Niveau der Geldforderungen. Beim SSV Reutlingen in der Oberliga unterschreiten sie selten 100 Euro. Das „tut weh“, sagt Kapitän Giuseppe Ricciardi, und das soll es auch: „Das sind grundlegende Dinge, die einfach passen müssen.“ Alle Angaben sind nur Richtwerte: Über jede Verfehlung urteilt der Mannschaftsrat, Wiederholungstäter werden vom Trainer behandelt.

Zusätzlich erlässt der SSV einen Ehrenkodex, der die Grundlagen verantwortungsbewussten und mannschaftsdienlichen Benehmens umreißt. Der wird von allen Mitspielern unterzeichnet: „Das ist einfach Ehrensache.“ Eine sportliche Sichtweise, die, von jedem Sportsmann verinnerlicht, einige Maßnahmen überflüssig, die Sause zum Saisonabschluss aber öde machen würde.