Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Dopingproben Foto: dpa

Der Entwurf der Bundesregierung für ein Anti-Doping-Gesetz liegt vor. Wer betrügt, riskiert in Zukunft drei Jahre Gefängnis. Der Sport reagiert zwiespältig: Er ist für die Verschärfung der Regeln, aber gegen lange Haftstrafen.

Der Entwurf der Bundesregierung für ein Anti-Doping-Gesetz liegt vor. Wer betrügt, riskiert in Zukunft drei Jahre Gefängnis. Der Sport reagiert zwiespältig: Er ist für die Verschärfung der Regeln, aber gegen lange Haftstrafen.

Stuttgart - Es gehört nicht zu den bevorzugten Tätigkeiten der deutschen Sportfunktionäre, sich mit den Untiefen ihrer Branche zu beschäftigen. Es ist nun mal schöner, sich mit Erfolgen zu schmücken, als im Einzelfall nachzuforschen, wie sie zustande kamen. Weil Leistungsmanipulationen in der Wertewelt des Sports aber so hilfreich sind wie gebrochene Versprechen in der Politik, gewann trotz aller Bremsversuche einiger Fachverbände und Organisationen eine Diskussion an Fahrt, die sich zuvorderst darum drehte, wie sich wirksam schützen lässt, was ein wertvoller Teil unserer Alltagskultur ist: Jetzt gibt die Politik eine Antwort, die der Sport so lange scheute. Die Bundesregierung legt den Entwurf eines Gesetzes vor, das dopende Sportler mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren bedroht. Schon der Besitz kleiner Mengen von Dopingmitteln kann künftig zu gewaltigem Ärger mit der Justiz führen.

Das klingt so, als müsse den Entwurf aus Berlin jeder bedenkenlos unterschreiben, der es ernst meint mit der moralischen Integrität der gehobenen Leibesertüchtigung. Doch die Hoffnung von Dagmar Freitag, der Vorsitzenden des Sportausschusses im Bundestag, der Gesetzentwurf möge im parlamentarischen und gesetzgeberischen Verfahren nicht nennenswert verwässert werden, wird wohl ein frommer bleiben. Denn ein Berliner Anti-Doping-Diktat schätzen die autonomiebewussten Strategen beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) so sehr wie Gegenwind beim 100-Meter-Lauf. Weshalb die Funktionäre der obersten Sportorganisation so auf den Gesetzentwurf reagierten wie sie in den vergangenen Jahren über die Problematik diskutierten: ziemlich unentschlossen. Doper in den Knast? Jein!

„Grundsätzlich begrüßen wir, dass die bislang abstrakte Diskussion nach Vorliegen des Entwurfs wesentlicher konkreter geführt werden kann“, ließ DOSB-Chef Alfons Hörmann in schwammigen Worten mitteilen, „wir haben mit der Politik das gemeinsame Ziel vereinbart, die in der Praxis bereits sehr gute und intensive Zusammenarbeit von Sport und Staat für einen Sport ohne Manipulation auch gesetzlich noch klarer als bisher zu regeln.“ Was im Klartext bedeutet, dass der DOSB noch ein gewichtiges Wörtchen mitreden will, bevor der Entwurf in ein Gesetz gegossen wird, das der Bundestag bereits im nächsten Frühjahr verabschieden könnte.

Schon der frühere DOSB-Präsident Thomas Bach, jetzt an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), warnte vor der „Kriminalisierung von Sportlern“. Und an dieser Haltung hat sich bis dato eher wenig geändert. Noch 2013 stemmten sich die Emissäre des deutschen Sports bei der DOSB-Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit gegen den Straftatbestand bei Besitz von geringen Mengen an Dopingmitteln. Und führende Funktionäre wie Turner-Präsident Rainer Brechtken warnten vor der Unvereinbarkeit von Sport- und Strafrecht. Unterstützt von Sportlern, die zwar mehrheitlich eine Verschärfung der Anti-Doping-Regeln begrüßen, die Härte des Gesetzes aber fürchten. „Die Dauer der Freiheitsstrafe ist ein bisschen hart“, sagt Schwimm-Europameister Marco Koch, „mitunter wird man zwei Jahre sportlich gesperrt und kommt drei Jahre ins Gefängnis.“ Was, fragt er, wenn man bei einer Krankheit aus Versehen ein Medikament nehme, das auf der Verbotsliste stehe? Matthias de Zordo, Speerwurfweltmeister von 2011, kritisiert: „Viele Dopingsünder kommen zu glimpflich davon, aber drei Jahre Gefängnis halte ich doch für schwachsinnig und nicht zielführend.“ Der Heidelberger Sportrechtsexperte Michael Lehner fordert auch deshalb eine „Harmonisierung“ beider Rechtsbereiche. „Die Strafhärten im Sport müssen heruntergefahren werden, es sollte nicht mehr als sechs Monate gesperrt werden.“

Das alles zeigt: Mit dem Gesetzentwurf kommen Politik und Sport aus den Startlöchern. Bis zum Ziel ist es aber noch weit.