Fragwürdiger Deal: Merkel und Erdogan Foto:  

Das Vorgehen des türkischen Präsidenten Erdogan gegen die Gülen-Bewegung widerspreche offenbar deutschem Recht, meint unser Kommentator Rainer Wehaus. Dies zeige das Ergebnis der Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft.

Stuttgart - Im innertürkischen Konflikt rund um den gescheiterten Putschversuch setzt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ein Zeichen: Wer eine bestimmte Gruppe verächtlich macht, zum Hass aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen diese Gruppe aufruft, der macht sich der Volksverhetzung schuldig. So steht es in Paragraf 130 des Strafgesetzbuches und so wird es nun angewandt.

Juristisches Neuland

Gegen fünf offenkundig ziemlich fanatische Erdogan-Anhänger aus dem Raum Stuttgart wurden Strafbefehle beantragt, weil sie auf Facebook gegen die Gülen-Bewegung agitiert haben. Gut möglich, dass es zu einer mündlichen Verhandlung kommt. Der eine oder andere Beschuldigte wird wohl der Meinung sein, seine Schmähungen seien noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Juristisch sind die Strafbefehle zudem alles andere als wasserdicht. Eine Boykottdrohung in der Art und Größenordnung gab es laut Staatsanwaltschaft in der Nachkriegszeit so noch nie. Bei der Beurteilung des Falles musste die Behörde auf die juristische Kommentierung des Judenboykotts aus dem Jahr 1933 zurückgreifen, der am Anfang der Naziherrschaft stand.

Fragwürdiger Deal

Was auf den Judenboykott folgte, ist bekannt. Auch deshalb ist es richtig, dass die Staatsanwaltschaft nun Grenzen setzt. Sie hat auch keine politischen Rücksichten zu nehmen wie Kanzlerin Angela Merkel, die sich in der Flüchtlingspolitik auf einen fragwürdigen Deal mit Recep Tayyip Erdogan eingelassen hat – einem Präsidenten, der seit dem Putschversuch willkürlich Säuberungsaktionen gegen Gülen-Anhänger anordnet. Man kann die Gülen-Bewegung durchaus kritisch sehen. In einem Rechtsstaat braucht es aber Beweise. Die Ermittlungen in Stuttgart zeigen: Erdogans Politik widerspricht offenbar deutschem Recht.

rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de