Gunter Deming beim Setzen des Stolpersteins für Fritz Schäfer. Foto: Kai Müller

Die Stolperstein Initiative Vaihingen hat trotz ablehnender Reaktionen den Gedenkstein für das NS-Opfer Fritz Schäfer verlegt. Die Zeremonie hielt man aber in einem kleinen Rahmen. „Wir wollen niemanden provozieren“, sagt Karl-Horst Marquart.

Vaihingen - Elf Gedenksteine gibt es in Vaihingen. „Wir haben noch nie Schwierigkeiten gehabt“, sagt Karl-Horst Marquart von der Stolperstein-Initiative. Beim zwölften, der am Montag in den Gehweg vor dem Haus Gartenstraße 48 eingelassen wurde, war dies anders.

„Wir haben diese Reaktionen nicht erwartet“, sagt Marquart. Er und seine Mitstreiter bemühen sich immer im Vorfeld, mit Hausbesitzern und Verwandten des Opfers zu sprechen. In diesem Fall war das Ergebnis ernüchternd. Zwei Stiefschwestern des Opfers blockten den Kontakt sofort und wandten sich gar ans Bezirksamt, um die Verlegung des Steines zu verhindern. „Gründe haben sie uns keine genannt“, sagt Marquart. Die Hauseigentümer, die für eine Stellungnahme bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen waren, erklärten, dass der Ort für den Stolperstein „historisch falsch“ sei, da das Opfer dort nie gelebt habe.

Schon als Säugling ins Kinderheim gekommen

Nach Rücksprache mit dem Kölner Künstler Gunter Demnig, dem Initiator des Stolperstein-Aktion, entschloss sich die Initiative dazu, an der Verlegung festzuhalten. Der Stolperstein erinnert an Fritz Schäfer, der am 9. Februar 1935 in Stuttgart geboren und im Alter von sechs Jahren in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet wurde.

Seine Mutter, Marie Schäfer, die aus Aidlingen (Kreis Böblingen) stammte, arbeitete als Haushaltsgehilfin in Vaihingen auf den Fildern. „Sehr früh, wahrscheinlich schon als Säugling, ist Fritz Schäfer in das Kinderheim Waiblingen gekommen“, sagt Marquart. Ob das Kind jemals im Haus Gartenstraße 48 gewohnt hat, ist mehr als fraglich. Und doch gibt es einen Bezug zu dem Gebäude. Fritz Schäfers Mutter heiratete am 17. Juli 1937 den Kraftwagenführer Karl Elsäßer und wohnte mit ihm im Dachgeschoss des Hauses. Eine besondere Note bekommt dies, wenn man weiß, dass Karl Elsäßer Chauffeur des Stuttgarter NSDAP-Kreisleiters Wilhelm Fischer war. In Fritz Schäfers Akten ist die Adresse Gartenstraße 48 vermerkt.

Zusatz „Hier wohnte“ wurde weggelassen

Der behinderte Junge wurde am 24. Juni 1939 in die Diakonissenanstalt Schwäbisch Hall eingewiesen. In diesem Heim lebte er bis zu seiner Verlegung am 20. November 1940 in die Heilanstalt Weinsberg. Am 10. März wurde Fritz Schäfer ins hessische Hadamar gebracht und dort noch am gleichen Tag in der Gaskammer ermordet. In der hessischen Mordanstalt sind 15 000 Menschen dem Euthanasie-Verbrechen der Nazis zum Opfer gefallen.

Eines davon war Fritz Schäfer. Der Stolperstein hält nun die Erinnerung an das Schicksal des sechsjährigen Jungen wach. Weil nicht geklärt werden konnte, ob er jemals an der Gartenstraße gewohnt hat, wurde der übliche Zusatz „Hier wohnte“ auf dem Stein weggelassen. „Das gibt es aber auch an anderen Stellen“, sagt Marquart. Die Initiative hat die Verlegung des Stolpersteins bewusst in einem kleinen Rahmen begangen. „Wir wollen niemanden provozieren“, sagt Marquart. Auf den Stolperstein ganz zu verzichten, stand für die Initiative aber nicht zur Debatte. „Das ist der einzige Bezugspunkt zu Stuttgart“, sagt Demnig. Es könne wohl keiner bestreiten, dass ein Kind zur Mutter gehöre. Es spreche aber auch nichts dagegen, einen weiteren Stolperstein für Fritz Schäfer vor dem Kinderheim in Waiblingen zu verlegen.

Harald Stingele, Sprecher der Stolperstein-Initiativen, kann die Aufregung um den Stein nicht verstehen: „Das würde darauf hinauslaufen, dass man an einige Opfer gar nicht erinnern könnte.“ Die Ablehnung zeige aber, dass das Projekt immer noch seine Berechtigung habe und keinesfalls „banal“ sei. Stingele wies aber auch darauf hin, dass die Mehrheit der Hausbesitzer sehr offen sei und die Verlegung der Stolpersteine begrüße: „Damit da kein falsches Bild entsteht.“