Am einen Tag ein angesehener Bürger, am nächsten ein geächteter Mann. Für den Rohrer Julius Vohl wurde ein Stolperstein verlegt. Der engagierte Kommunist war 1943 an seiner Arbeitsstätte tot aufgefunden worden.
Rohr - Theodor Bergmann brachte es auf den Punkt: „Wir müssen schauen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt“, sagte der 101-Jährige bei der Verlegung des Stolpersteins für den Rohrer Bürger Julius Vohl. „Unsere Parole muss sein: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“, so Bergmann.
Der Mann mit den jüdischen Wurzeln, der sich selbst als Kommunist bezeichnet, wurde 1916 in Berlin geboren. 1933 flüchtete er nach Palästina. Über die Tschechoslowakei und Schweden führte sein Weg 1946 zurück nach Deutschland. Bergmann war bis 1981 Professor für International vergleichende Agrarpolitik an der Uni Hohenheim. Er schloss sich der antifaschistischen Jugendbewegung an und kämpft noch heute für soziale Gerechtigkeit. In seinem langen Leben hat Theodor Bergmann bereits vieles gesehen und erlebt. Und er blickt mit Sorge in die Zukunft. „Wir leben zwar in einer bürgerlichen Demokratie. Aber faschistische Zeichen gibt es auch heute.“ Bergmann nannte Bewegungen wie Pegida oder die AfD eine Gefahr und warnte vor Hetze, nicht nur gegenüber Ausländern.
Auch Julius Vohl und seine Familie wurden geächtet, gemieden und schikaniert. Der gelernte Maurer war ein überzeugter Kommunist und Mitglied der KPD. „Er wollte, dass es den Arbeitern besser geht“, sagte Karl-Horst Marquart von der Stolpersteininitiative Stuttgart-Vaihingen. Vohl sei ein angesehener und geachteter Mann gewesen, zudem Mitglied im Rohrer Gemeinderat. „Als Hitler an die Macht kam, änderte sich das“, sagte Marquart. Die Familie Vohl sei von einem Tag auf den anderen ins Abseits geraten und geächtet worden. Sie habe sich zurückgezogen aus der Öffentlichkeit, um weiteren Schikanen zu entgehen.
Die Todesumstände Julius Vohls sind noch heute ungeklärt
Der Stolperstein an der Schönbuchstraße vor dem ehemaligen Wohnhaus Vohls ist der 16. im Stadtbezirk Vaihingen und der dritte in Rohr. Die Enkelin Karin Dorsch lebt im Nachbarhaus. Sie war ebenso wie zwei weitere Enkel Vohls, Kurt Schrimm und Hans Binder, zur Verlegung gekommen. Dorsch betonte, dass der Kommunismus der 20er Jahre nicht mit dem sowjetischen Kommunismus vergleichbar sei. „Mein Großvater war ein Idealist. Er hat für die Gleichbehandlung der Arbeiter gekämpft.“ Der Stolperstein sei „eine späte Ehrung“ für den Großvater, der unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen war.
Viele Fragen sind noch offen: Julius Vohl war am 8. Juni 1943 nicht von der Arbeit nach Hause gekommen. Am nächsten Tag wurde der Maurer bewusstlos an seiner Arbeitsstätte auf einer Baustelle gefunden. Er verstarb wenig später im Krankenhaus an einer Hirnblutung, wie es hieß. „Es war kein Unglück“, sagte Dorsch. Dessen sei sich die Familie sicher. Man habe sich nicht getraut, eine Untersuchung des Todesfalls zu verlangen. „Meine Familie war so eingeschüchtert, dass sie nichts gesagt hat“, sagte Dorsch.