Die Initiative Stolperstein Stuttgart-Vaihingen verlegt am 28. April einen Stolperstein für das NS-Opfer Julius Vohl. Der Tod des Kommunisten gibt bis heute Rätsel auf.
Stuttgart - Bislang sind 16 Stolpersteine in Vaihingen verlegt worden. Diese erinnern an die Opfer des Nazi-Terrors. Am 28. April kommt ein weiterer dazu – und doch ist es ein ganz besonderer Gedenkstein. „Die Umstände sind einmalig. Einen solchen Stein gibt es bislang in Stuttgart nicht“, sagt Karl-Horst Marquart von der Stolperstein-Initiative Vaihingen.
Die quadratische Gedenktafel aus Messing erinnert an Julius Vohl. Dieser wohnte im Haus Schönbuchstraße 37 in Rohr. Dort wird der Künstler Gunter Demnig, der bislang mehr als 60 000 Gedenksteine in 20 Ländern verlegt hat, den Stolperstein in den Gehweg einlassen. Auf der Tafel steht: „Hier wohnte Julius Vohl, JG. 1884, im Widerstand/KPD. „Schutzhaft“ 1933 Heuberg, 9.6.1943 verletzt gefunden, tot 9.6.1943, Umstände nie geklärt.“ Es ist in dürren Worten die Geschichte eines Mannes, der erreichen wollte, dass es den Arbeitern in Rohr besser geht.
1933 von den Nazis verhaftet
Julius Vohl schloss sich früh der Kommunistischen Partei an. Der Maurerpolier war beliebt und als Gemeinderat ein geachtetes Mitglied der Gesellschaft. In den 20er-Jahren erhielt Vohl bei der Gemeinderatswahl sogar die meisten Stimmen. Dazu muss man wissen, dass der Kommunismus in Rohr einen starken bürgerlichen Anstrich hatte. Doch mit der Idylle war es vorbei, als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen. Aus dem angesehenen Bürger wurde ein Geächteter. Der Familie wurden die Fenster eingeworfen. Vohl wurde verhaftet und ins Konzentrationslager Heuberg gebracht. Dort wurden zwischen März und November 1933 mehr als 2000 Kommunisten, Sozialdemokraten und Mitglieder anderer Parteien festgehalten. Eine Reihe von Häftlingen starb an den Folgen der Misshandlungen.
Weil Vohls Chef sich für ihn einsetzte, kam er wieder frei und kehrte nach Rohr zurück. Vohl zog sich aus der Politik zurück. Am 8. Juni 1943 kehrte er nicht nach Hause zurück. Die Familie suchte ihn, fand ihn aber erst am nächsten Tag in seiner Bauhütte. Der Maurerpolier war bewusstlos und hatte eine schwere Verletzung am Kopf. Vohl kam ins Bürgerhospital und starb an einer Gehirnblutung. Offiziell sprach man von einem Unfall. Die Ursache wurde nie geklärt. Vohls Frau Sophie war sich aber bis zu ihrem Tod sicher: Ihr Mann ist nicht eines natürlichen Todes gestorben, Nazis haben ihn umgebracht.
Kein Zweifel an der Verlegung
Bis heute beschäftigt Vohls ungeklärter Tod die Nachfahren. Die Enkel Karin Dorsch und Kurt Schrimm haben diese Geschichte, die betroffen macht, im Juni 2014 der Filder-Zeitung erzählt. Auch Karl-Horst Marquart hat sie mit großem Interesse gelesen. Schließlich ist er bei seinen Recherchen im Staatsarchiv Ludwigsburg zu den Stuttgarter „Schutzhäftlingen“ auf den Namen Julius Vohl gestoßen. „Ich kam da aber nicht weiter“, sagt Marquart. Er hat schließlich Kontakt zu den Angehörigen aufgenommen. Sie waren einverstanden, dass ein Stolperstein an das Schicksal von Julius Vohl erinnert. Dessen Tod wird aber für immer ein Rätsel bleiben.
Marquart hat in der Württembergischen Landesbibliothek alte Zeitungen durchforstet. Dort wurde der Unfall aber mit keinem Wort erwähnt. Doch trotz der etwas kryptischen Wortwahl auf dem Stolperstein, habe es an der Verlegung keinen Zweifel gegeben, sagt Marquart. Er ergänzt: „Es gab keine Kritik daran. Vielmehr haben alle über die Geschichte gestaunt.“ Fast 74 Jahre nach Julius Vohls Tod wird ein Gedenkstein an ihn erinnern. An einen Mann, der sich um das Gemeinwohl verdient machte. An einen, der Rohrer durch und durch war, der auch dem Badeverein angehörte, der das Rohrer Waldfreibad im Schmellbachtal baute. Und an ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft, der sich nichts zu Schulden kommen ließ und doch zu einem Geächteten wurde.