Kanzlerin Angela Merkel legt zum vierten Mal den Amtszeit ab. Foto: dpa

Angela Merkel wird mit einem miesen Ergebnis erneut zur Kanzlerin gekürt. Ihre dritte große Koalition startet erschöpft und brüchig. Der Kampf um ihre Nachfolge wird bald beginnen, meint unser Parlamentskorrespondent Thomas Maron.

Berlin - Angela Merkel mag gewählt sein, aber durchatmen kann sie nicht, geschweige denn aufatmen. Denn der Preis, den sie während der Verhandlungen mit der SPD sowohl an die Genossen als auch an innerparteiliche Kritiker zu zahlen hatte, war hoch. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs ist für sie eine umso größere Hypothek, denn es zeigt, dass trotz all dieser Konzessionen die Wunden nicht verheilt sind. Nur neun Stimmen über den Durst hat sie bekommen. 35 Stimmen aus den Reihen von Union und SPD fehlten. Selbst Schwarz-Gelb schaffte es 2009 mit einem Überschuss von elf Stimmen bei der Kanzlerinnenwahl über die Ziellinie.

Der Applaus, der nach der Verkündung des Ergebnisses zu vernehmen war, klang keinesfalls euphorisch, eher erleichtert. Trotz aller Verjüngungsversuche bei der Auswahl der Ministerinnen und Minister. Trotz einiger neuer Gesichter: So wenig Aufbruch war selten zu spüren bei einer Kanzlerkür. Die Union und mehr noch die SPD werden während der Regierungszeit vermutlich wann immer möglich ihr Heil in der Flucht suchen – bis an den Rand des Koalitionsbruchs. Beide werden verbissen um ihren Status als Volkspartei kämpfen. Die Union will ihn nicht verlieren, die SPD will ihn sich zurückerobern. Das geht aber nur, wenn das Trennende in den Vordergrund rückt und Gemeinsamkeiten unterbelichtet werden. Schlechte Vorzeichen für ein gedeihliches Miteinander, Vorboten einer ruppigen Amtszeit mit zahlreichen Bruchstellen. Zumal Merkels Autorität umso mehr schwindet, je mehr die Ungeduld ihrer potenziellen Erben wächst, die ja auch nicht jünger werden.

Ladenhüter aus dem Schaufenster räumen

Eines ist bei dieser Wahl deshalb klar geworden: So wichtig es war, dass Deutschland in Europa und der Welt mit dieser kleinen großen Koalition wieder handlungsfähig wird, so wichtig wird es jetzt sein, dass Union und SPD programmatisch und personell ihre Ladenhüter aus dem Schaufenster räumen und neue Angebote unterbreiten, die ins 21. Jahrhundert passen. Die Auslage der Union wird Merkel bei der nächsten Bundestagswahl wohl nicht mehr dominieren. Es sei denn, sie kann zaubern. Aber da Physikerinnen nichts mit Magie und übersinnlichen Kräften am Hut haben, darf man das getrost ausschließen.