Die Störche sind zu dem künstlichen Nest auf dem Schlössle in Freiberg-Geisingen zurückgekehrt. Foto: Werner Kuhnle

In Freiberg am Neckar könnte es wieder Storchennachwuchs geben. Außerdem gibt es im Landkreis Ludwigsburg einen neuen Horst an einer Stelle, wo man es nicht unbedingt erwartet hätte.

Über mehrere Jahre war das Pleidelsheimer Wiesental ein Hotspot für Störche im Landkreis Ludwigsburg. Immer wieder raufte sich in der hinreißenden Naturoase ein Paar zusammen und päppelte Nachwuchs auf. 2022 war damit unvermittelt Schluss. Mit dem bisherigen Nest gab es Probleme, es war nicht mehr stabil genug. Der männliche Adebar, der Jahr für Jahr in das Schutzgebiet zurückgekehrt war, zog daraufhin nach Freiberg am Neckar weiter – samt seiner Partnerin, mit der er gerade frisch angebandelt hatte. Und dort, in dem künstlichen Nest auf dem alten Schlössle im Stadtteil Geisingen, wird nun auch in dieser Saison wieder kräftig geklappert.

 

Traute Zweisamkeit

Zunächst nahm ein einzelner Storch den Horst in Beschlag und bewachte das Domizil – wartete aber drei Wochen vergeblich, dass sich ein Artgenosse dauerhaft zu ihm gesellt. Vor Kurzem wendete sich das Blatt und es herrscht wieder traute Zweisamkeit. „Es wird auch schon heftig geklappert“, hieß es unlängst dazu im Freiberger Blättle, wo auch davon die Rede war, dass Nilgänse vergeblich versuchen, den Störchen das Nest streitig zu machen. „Ich selbst war noch nicht dort, gehe aber davon aus, dass das Männchen wieder dasselbe ist“, sagt der renommierte Ludwigsburger Ornithologe Claus König. Gut zu erkennen sei das Tier an einem provisorischen Drahtring, der am rechten Bein angebracht sei.

In Freiberg kann man also guter Dinge sein, dass bald wieder Jungstörche ihre Köpfe aus dem Nest recken. So geschehen auch 2022, als das Paar drei Adebare aufgezogen habe, wie Gerhard Hezel, Natur- und Landschaftsführer aus der Neckarkommune, sagt. Hezel ist Mitglied im Verein Neckarguides, der den Horst auf dem Schlössle bezuschusst hat. Im ersten Jahr „war es enttäuschend, weil nichts zu sehen war. Im zweiten Jahr war dann ein Storch da, er wurde aber von Raben vertrieben“, erinnert sich Hezel. Letztes Jahr habe es schließlich mit der Ansiedlung eines Paars und Nachwuchs geklappt.

Dafür herrscht seitdem im Wiesental Flaute. „Man hat hier zuletzt zwar ab und zu Störche beobachten können. Und es ist auch davon auszugehen, dass die Störche aus Freiberg hierher fliegen, um nach Nahrung zu suchen. Aber in dieser Saison hat sich noch kein Storch in dem Gebiet niedergelassen“, berichtet Claus König.

Kritik am Horst in Ludwigsburg

Ähnlich mager sieht es in Sachen Adebare auch in den Ludwigsburger Zugwiesen aus, wo eigens ein Horst oberhalb einer Aussichtsplattform montiert wurde. Gerhard Hezel wundert sich allerdings wenig, dass an dieser Stelle keine Vögel ihre gute Stube einrichten wollen. „Der Abstand zur Plattform ist zu gering, da setzt sich kein Storch drauf“, sagt er. Was doppelt schade ist: denn an und für sich sei das Habitat drum herum für Störche gar nicht übel.

Dafür macht es sich ein Paar dieses Jahr offenbar erstmals an einer Stelle gemütlich, an der mitunter viel Trubel herrscht, weshalb ausgerechnet hier also nicht unbedingt mit so einem Ereignis zu rechnen war: nämlich in der Nähe des Monrepos-Sees in Ludwigsburg. „Das wurde mir ganz frisch gemeldet“, sagt die Landesstorchenbeauftragte Judith Opitz. Den Horst hätten die Vögel sich dort selbst gebaut. Außerdem verkündet die Fachfrau auch die Wiederbesiedlung eines Funkmastes in Vaihingen-Horrheim. Im Blühenden Barock in Ludwigsburg habe sich offenbar ebenfalls wie schon 2022 ein Paar gefunden.

Regenwürmer ersetzen Heuschrecken

Grundsätzlich sind im Kreis Ludwigsburg die Lebensbedingungen für Adebare jedoch alles andere als optimal. Darauf weisen fast alle Experten hin. Die Speisekarte sei nicht gerade üppig bestückt. Ein Umstand, der sich jedoch auf mehrere Landstriche in Baden-Württemberg übertragen lässt, wie Judith Opitz sagt. Feuchtes Grünland sowie Flussauen und -täler seien der natürliche Lebensraum der Tiere: „Aber die gibt es kaum noch.“ Die Adebare wissen sich jedoch augenscheinlich zu helfen und steigen aus der Not auf andere Nahrung um, wie die Expertin erläutert. Eigentlich bräuchten die Küken proteinhaltige Kost wie Maulwurfsgrillen und Heuschrecken, sagt Opitz. Weil beides Mangelware ist, schnappten sich die Eltern als Ersatz einfach Regenwürmer. Außerdem schauten sich die Tiere auch verstärkt nach Essbarem auf Deponien um oder bedienten sich an Fast-Food-Resten.

Nur ein Babystorch schafft es nicht

Eine Strategie, die zu fruchten scheint. In Horrheim sind nach Angaben von Judith Opitz 2022 drei Babystörche aufgezogen worden, im Blühenden Barock sogar vier und in Geisingen drei. Ein vierter Babystorch habe es im Freiberger Stadtteil leider nicht geschafft und sei verstorben.

Auf dem aufsteigenden Ast

Paare
In ganz Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr genau 1955 Horstpaare gezählt. Darunter versteht man Storchenpartnerschaften, aus denen Nachwuchs hervorgegangen ist. 2021 waren es 1767 und damit deutlich weniger. Bei den Jungstörchen gab es einen Zuwachs von 2932 auf 3538 Exemplare. Die Landesstorchenbeauftragte Judith Opitz geht davon aus, dass die Zahlen auch 2023 zulegen werden.

Selten
Während Störche um die renaturierten Ludwigsburger Zugwiesen noch einen Bogen machen, wurde hier in diesem Jahr erstmals ein anderer, sehr seltener Gast beobachtet: die Rohrdommel. Darauf weist der Freiberger Neckarguide Gerhard Hezel hin. Die Rohrdommel zählt zur Familie der Reiher und ist laut Nabu aus Westdeutschland nahezu verschwunden. Im Osten der Republik gebe es noch einige hundert Brutpaare, Tendenz abnehmend.