An der Rems ist man Anfang Juni unterhalb von Schorndorf nur knapp einer Katastrophe entronnen. Der technische Hochwasserschutz in Form von Regenrückhaltebecken hatte verhindert, dass sich die Flutwelle über das ganze Tal ergossen hat Foto: Gottfried Stoppel

Die Flutkatastrophe im Wieslauftal hat die Notwendigkeit, den Hochwasserschutz weiter auszubauen, drastisch vor Augen geführt. Doch die Wasserverbände sind in ihren Bemühungen blockiert. Der Grund sind Personalengpässe in einer Behörde.

Wie wichtig technischer Hochwasserschutz sein kann, hat sich Anfang Juni entlang der Rems gezeigt. Die vier bisher gebauten Rückhaltebecken haben vermutlich verhindert, dass eine Flutwelle im gesamten Remstal ähnliche Schäden angerichtet hat wie parallel ein nicht mehr kontrollierbares Starkregenereignis im Wieslauftal. Doch auch an der Rems ist man nur haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschrammt.

 

Eine stets aktuelle Daueraufgabe

Weil in Zeiten des Klimawandels nach dem Hochwasser vor dem Hochwasser sei, und es nur eine Frage der Zeit sei, bis der Rems-Murr-Kreis wieder von einem Hochwasser heimgesucht werde, sei Hochwasserschutz zu einer stets aktuellen Daueraufgabe geworden, sagt der Landrat Richard Sigel. Das Landratsamt und die Kommunen, beziehungsweise die von ihnen gegründeten Wasserverbände, arbeiteten gemeinsam daran, diesen stetig zu verbessern. So sei beispielsweise der Aufbau eines mittlerweile aus fast 130 Standorten bestehenden kreisweiten Pegelnetzes eine wichtige Weiterentwicklung in der Genauigkeit der Gefahrenabschätzung. Über das Flut-Informations- und Warnsystem Fliwas könnten alle Behörden die jeweiligen aktuellen Wasserstands- und Niederschlagsdaten und -prognosen erhalten. So könnten im Notfall rascher Schutzmaßnahmen ergriffen und die Bevölkerung gewarnt werden.

Planung für technischen Hochwasserschutz gestoppt

Zuletzt ist an der Rems das Hochwasserrückhaltebecken in Urbach gebaut worden. Foto: Gottfried Stoppel

Auch in Sachen technischer Hochwasserschutz hätten die fünf im Kreis tätigen Wasserverbände in den vergangenen Jahren einiges geschaffen, sagt Simon Kistner, Dezernatsleiter für Mobilität, Umwelt und Bürgerservice im Waiblinger Landratsamt. Aktuell ist an der Murr in Oppenweiler das im dortigen Einzugsgebiet größte Hochwasserrückhaltebecken im Bau. Doch die weiteren Aussichten sind stark getrübt. Insbesondere an Rems und Murr sind die weiteren Planungen gestoppt worden. Der Grund: Die Fortschreibung der sogenannten Hochwassergefahrenkarten durch das Regierungspräsidium lässt auf sich warten. „Die Fertigstellung verzögert sich leider immer weiter“, sagt Kistner. Der Grund seien personelle Engpässe. Das Thema habe bei der Stuttgarter Behörde zwar durchaus eine hohe Priorität – es stünden aber schlicht nicht ausreichend Fachkräfte zur Verfügung, die diese Aufgabe zügig bewältigen könnten.

Rems muss bis 2029 warten

Während man im Wieslauftal wenigstens hofft, Ende kommenden Jahres valide Daten vorliegen zu haben, wird es für die Murr wohl erst bis frühestens Sommer 2028 und die Rems auf Anfang des darauffolgenden Jahres reichen. Erst zu diesen Zeitpunkten aber könnten die Wasserverbände in die Detailplanungen einsteigen – und dann muss das Ganze noch seinen weiteren bürokratischen Gang gehen.

Obwohl der technische Hochwasserschutz eine kommunale Aufgabe ist, sieht sich das Landratsamt aber durchaus in einer Vermittlerrolle, etwa zu der übergeordneten Behörde in Stuttgart sowie zu für die Ausführung infrage kommenden Ingenieurbüros. Man sollte nicht abwarten, bis die Gefahrenkarten im Detail fertig seien, meint Simon Kistner, sondern Dinge, so gut es geht, vorbereiten.

Auch Eigenvorsorge ist gefragt

Er macht indes auch deutlich, dass der technische Hochwasserschutz nicht alles abfedern könne. „Die Kommunen können kein Rundum-sorglos-Paket schnüren.“ Hochwasserschutz sei eine Gemeinschaftsaufgabe – zu der auch die Eigenvorsorge zähle. „Man sollte sich unbedingt mit den Gegebenheiten des eigenen Grundstücks auseinandersetzen“, sagt der Landrat Richard Sigel. Das fange mit einem „Stubendurchgang“ durch den eigenen Keller an und reiche bis zu einem persönlichen Notfallplan.

Während bei einer Diskussion im Umweltausschuss des Kreistags zu dem Thema unter anderem von dem früheren Großerlacher Bürgermeister Christoph Jäger (CDU) auch Kritik an langen Verfahrensdauern bei der Genehmigung technischer Hochwasserschutzmaßnahmen aufkam, relativierte Richard Sigel die Behördenschelte ein wenig: Nicht selten, so der Landrat, sorge eine Vielzahl an unterschiedlichen Individualinteressen dafür, dass sich Projekte verzögerten oder schlimmstenfalls gar nicht realisiert würden.