Von Narren gefesselt: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Foto: dpa

Es half alles nichts: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt wollte das Stockacher Narrengericht am Donnerstag von seiner Unschuld überzeugen – und scheiterte.

Stockach - Die Anklagepunkte gegen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wiegen schwer: Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch Staus, wirft der Kläger des Stockacher Narrengerichts dem CSU-Politiker am „Schmotzigen Dunschtig“ vor. Außerdem Amtsmissbrauch in Tateinheit mit Verkehrsbehinderung und Ausländerdiskriminierung durch „vorsätzlichen Mautismus“. Nach zwei Stunden harter und zäher Verhandlung steht das Urteil fest - drei Eimer Wein zu je 60 Litern muss Dobrindt zahlen. Dem Schiedsspruch ging eine Gerichtsverhandlung in vier Akten voraus:

Die Anklage

Dobrindt sei verantwortlich für den Stillstand auf deutschen Autobahnen, findet der Kläger. „Ich wollte schon immer mal denjenigen in die Finger kriegen, der Schuld ist an den Staus. Neulich bin ich im Stau gestanden, fünf Stunden auf der linken Spur. Dann wurde ich rechts von einer Wanderbaustelle überholt.“

Zudem wolle Dobrindt den Test mit Tempo 120 auf Autobahnen des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) verbieten. „Aber wann haben wir denn in den letzten Jahren auf der A81 überhaupt so schnell fahren können? So eine Raserei hat es dort noch niemals gegeben! Und das will Dobrindt verbieten. Das nenne ich Amtsmissbrauch“, meint der Kläger.

Der letzte Vorwurf: Dobrindt wolle durch eine Maut Ausländer diskriminieren. Das Problem daran: „Wer ist denn für einen Bayern ein Ausländer? Na, alle anderen in Deutschland! Wir! So kann er abkassieren“, ruft der Kläger.

Die Zeugin

Verstärkung bekommt die Anklage von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die frühere FPD-Bundesjustizministerin kommt im bayerischen Dirndl zur Verhandlung und ärgert sich vor allem über einen früheren Spruch Dobrindts: „Lieber päppeln wir jeden Abend die FDP mit Wadenwickeln auf, als dass wir uns mit den Grünen ins Bett legen.“ Das würde ihm so passen, sagt Leutheusser-Schnarrenberger empört. „Meine Waden, die gehören ausschließlich mir.“

Die Verteidigung

Etwas weniger Applaus erntet in diesem Jahr der Fürsprech des Angeklagten. „Alles falsch“, beginnt er noch sehr vehement. Dann spannt er jedoch den Bogen von Staus über die Maut bis hin zur Flüchtlingskrise. Doch bei seinen vorsichtigen Späßen auf Kosten von Asylbewerbern bleibt das Publikum eher verhalten. Dobrindt selbst versucht es lieber mit einer anderen Strategie. Er wundere sich über die Anklage, sagte der Bundesverkehrsminister. „Ich hätte eher mit einer Verbrüderung gerechnet. Wir sind doch Brüder im Geiste. Die CSU ist doch das Narrengericht der Großen Koalition in Berlin. Sie haben Stockach, wir haben Kreuth. Und für närrische Entscheidungen sind wir beide bekannt.“

Der zweite Versuch Dobrindts: Schmeicheln. Seine Anklagebank stünde normalerweise eher in Berlin oder Brüssel. „Aber wenn die Richter dort nur halb so weise und die Frauen nur halb so schön wären wie hier: Ich würde mich dauernd zur Anklagebank führen lassen“, ruft der Minister ins Publikum. Die Quittung kommt jedoch schnell: „Schleimer“, rufen ein paar Zuschauer zurück.

Das Urteil

Die närrischen Richter verdonnern den CSU-Politiker zu drei Eimern Wein - das sind 180 Liter. Zwei Eimer, weil er im dritten Anklagepunkt für schuldig befunden worden sei, sagt die Justiz. „Der Dritte für die Schleimerei!“ Außerdem müsse Dobrindt das 18-köpfige Kollegium des Narrengerichts zu Wiedergutmachungsgesprächen auf die Münchner Wiesen einladen.. Warum? Weil Stockach Anfang des 18. Jahrhunderts von bayrischen Soldaten zerstört worden sei. Der Brand von damals könne in München mit echtem bayrischen Gerstensaft symbolisch nachgelöscht werden.

Und das steckt dahinter

Die mehr als 600 Jahre alte Tradition gehört zu den Höhepunkten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht in Baden-Württemberg. Sie geht der Legende nach zurück auf den Hofnarren Hans Kuony des Habsburger Herzogs Leopold I. Als Dank für gute Ratschläge erhielt er 1351 das Privileg, jedes Jahr ein Narrengericht abhalten zu dürfen. Auf der Anklagebank saßen unter anderem bereits Franz Josef Strauß, Guido Westerwelle, Angela Merkel und Philipp Rösler. 2015 kam Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) noch relativ glimpflich davon: Er wurde zu einem Eimer Wein verurteilt.