Ist das ganzvolle Leuchten nur Schein? Das Opernhaus Stuttgart muss dringend saniert werden Foto: dpa

Computersteuerung und Bühnen-Technik aus dem Museum und Raumnot überall. Das Opernhaus Stuttgart ist ein Sanierungfall. Um was es geht? Der StN-„Ortstermin“ am 29. Juni gibt exklusive Einblicke.

Stuttgart - Seit mehr als 20 Jahren wird über die grundlegende technische Sanierung des Opernhauses Stuttgart diskutiert. Untersuchungen aus den Jahren 2014 und 2015 ergaben zudem einen zusätzlichen Raumbedarf des Staatstheaters Stuttgart von bis zu 12000 Quadratmetern.

Opernhaus wird mehrere Jahre geschlossen sein

Entsprechend gilt die Diskussion seit dieser Zeit ebenso der auf mehrere Jahre veranschlagten Generalsanierung des Opernhauses als auch einer städtebaulichen Neuordnung des Staatstheaters-Areals. Technisches Herzstück der geplanten Sanierung des Littmann-Baus ist der Einbau einer Kreuzbühne. Hierfür soll in Abstimmung mit Denkmalamt die Fassade des Opernhauses um mehrere Meter Richtung Landtag verschoben werden.

Der „Jahrhundertbeschluss“ der Koalition aus Grünen und CDU

Die baden-württembergische Landesregierung hat sich zum Handeln verpflichtet. „Ziel ist es, abschnittweise bauliche und strukturelle Defizite zu beheben und für die Staatstheater einen zeitgemäßen und zukunftsfähigen Spielbetrieb sicherzustellen“, heißt es in einem Kabinettsbeschluss der Koalition aus Grünen und CDU.

Dies sei ein „Jahrhundertbeschluss“, sagte Kretschmann bei einem gemeinsamen Auftritt mit Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne), Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) im Opernhaus.

„Historische Verantwortung“

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sagte unserer Zeitung: „Wir haben uns etwas Großes vorgenommen und das ist auch notwendig. Es ist an der Zeit, sich der historischen Verantwortung zu stellen“. Und sie betonte: „Alle internationalen modernen Kulturbauten ist gemein, dass sie Raum für Begegnungen bieten, auch jenseits der eigentlichen Kernaufgabe eines Opernhauses. Die ,Burg Oper’ muss ein offenes Haus werden, das auch abseits der Aufführungen neugierig macht.“

Streitfall Ausweichbühne

Für mindestens sechs Jahre soll das Opernhaus mit Sanierungsbeginn geschlossen bleiben. Es braucht also eine in ihrer Funktionalität gleichwertige Ausweichspielstätte – eine Bühne mit Unter- und Obermaschinerie, einen Publikumssaal mit 1400 Plätzen und, um weite Anfahrtswege für die technischen Gewerke de Staatstheaters zu vermeiden, Raum für 1000 Arbeitsplätze. Hatte das Staatstheater ursprünglich gehofft, ein solches Interim in unmittelbarer Nachbarschaft errichten zu können, rückten Stadt und Land – finanziell je zur Hälfte gemeinsam Träger des Staatstheaters Stuttgart – davon früh ab.

Ein geeigneter Ort schien dennoch bald gefunden – das ehemalige Paketpostamt unterhalb des Nordbahnhofs. Zwei Jahre Planungszeit steckten die Verantwortlichen von Oper und Ballett in die Diskussionen um das Paketpostamt. Wie es scheint umsonst, lehnt doch die Stadt Stuttgart das Projekt wegen zu hoher Kosten ab. Eine Untersuchung hatte eine Investition von 116 Millionen Euro ergeben.

Ungewisser Zeitplan

Was nun? „Stuttgarter Oper und Ballett“ kommentierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann jüngst noch den „Jahrhundertbeschluss“ seines Kabinetts, „genießen Weltruf – und den gilt es nicht nur zu bewahren, sondern kraftvoll weiter auszubauen. Die Sanierung der Oper ist das zentrale Bekenntnis dazu“.

An der Position hat sich wohl nichts geändert, der Zeitplan aber ist gehörig durcheinander. Ursprünglich sollte die Einrichtung der Ausweichspielstätte 2021 beginnen und bis 2024/2025 abgeschlossen sein. Die Rückkehr ins Opernhaus war für 2030 geplant. Nun zeichnet sich eine längere Verschiebung ab.

Schlechte Arbeitsbedingungen

Die zentrale Frage bleibt: Wie lange kann im Opernhaus Stuttgart überhaupt noch verlässlich gespielt werden? Schon jetzt werden immer wieder frühere technische Mitarbeiter aktiviert, um vor allem Probleme bei der Untermaschinerie der Bühne lösen zu können.

Auch eine andere Frage stellt sich: Wie lange sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staatstheaters noch bereit, die bereits von dem früheren Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) massiv beklagten schlechten räumlichen und ausstattungstechnischen Arbeitsbedingungen in vielen Bereichen hinzunehmen? Und schließlich: Welche Unsicherheiten im politischen Bereich ergeben sich aus den anstehenden Wahlterminen (Gemeinderatswahl Stuttgart 2019, OB-Wahl Stuttgart 2020, Landtagswahl Baden-Württemberg 2021).

Neuer Suchlauf für Ausweichspielstätte

Mit Hochdruck, das versichern alle Beteiligten, läuft aktuell ein neuer Suchlauf für eine Ausweichspielstätte. Ungeachtet entsprechender jährlicher Folgekosten von mindestens 15 Millionen Euro im Jahr wird dabei auch eine mögliche Nachnutzung eines möglichen Standortes untersucht.

Parallel gehen auch die Untersuchungen zu den Bedarfsplanungen des Staatstheaters Stuttgart im angestammten Areal zwischen Opernhaus, Schauspielhaus und Kulissengebäude weiter.

So können Sie dabei sein

Wie sieht es hinter den Kulissen der großen und kleinen Kultureinrichtungen in der Region Stuttgart aus? Mit welchen Projekten wollen sie ihre Besucher begeistern? Unsere Zeitung gibt mit ihrer Veranstaltungsreihe „Ortstermin“ Antworten. Nächste Station ist am Freitag, 29. Juni, das Opernhaus Stuttgart.

Über marode Technik und schlechte Arbeitsbedingungen dort wird viel diskutiert. Wie aber sieht es hinter den Kulissen der glänzenden Auftritte der Oper Stuttgart und des Stuttgarter Balletts wirklich aus? Dies fragen wir den Geschäftsführenden Intendanten der Staatstheater Stuttgart, Marc-Oliver Hendriks. Mehr aber: Im Anschluss an das Einführungsgespräch bietet der „Ortstermin“ bei einer Führung exklusive Blicke hinter die Kulissen des Opernhauses.

Wir bieten die Chance, das „Jahrhundertprojekt“ Sanierung und Erweiterung der Staatstheater Stuttgart in seiner Dimension zu verstehen. Beginn ist um 16 Uhr (Treffpunkt: Foyer, I. Rang). Der Eintritt ist frei. 60 Leserinnen und Leser können dabei sein.

Hier geht es zur Anmeldung

„Ortstermin“ im Opernhaus Stuttgart: Wenn Sie dabei sein möchten, melden Sie sich bitte mit Ihrem Namen und Ihrer E-Mail-Adresse unter www.stn.de/ortstermin an. Informationen zum Datenschutz finden Sie unter www.stn.de/datenschutz.