Mütter treffen Hebammen im Stadtpalais in Stuttgart: Sandra Diel (o.li), Sophia Liszkai (u.li.) und die Hebammen Nora Elosge, Lena Schott, Katja Heß (v.li.n.re). Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Es ist Stillwoche in Stuttgart. Das Motto der Aktion: „Du entscheidest, nicht die Werbung“. Stuttgarterinnen erzählen beim Still-in, wie sie das Stillen in der Öffentlichkeit erleben.

Eine Mama ist spitze, zweifelsohne und das soll auch gut sichtbar sein. Daher stehen im Stadtpalais Café beim zweiten Still-in, einer gemeinsamen Veranstaltung des Hebammenverbands und der Frühen Hilfen Stuttgart, Schälchen mit bunten Perlen auf den Tischen, aus denen sich die anwesenden Mütter ein Armband gestalten können und die Buchstaben M-O-M miteinflechten können. Dreht man sie um, werden sie zu einem „Wow“.

 

Das diesjährige Motto der Stillwoche, die noch bis Donnerstag, 2. Oktober dauert, lautet: „Du entscheidest, nicht die Werbung“. Was haben Werbung und Stillen miteinander zu tun? Kerstin Gemeinder, Mitarbeiterin bei den Frühen Hilfen in Stuttgart erklärt, dass Familien gerade in der ersten Zeit nach der Geburt eines Babys manchmal fremdbestimmt sein können. Es würden viele Ansichten darüber kursieren, wie oft Mütter stillen sollten oder welche Milch sie zu geben hätten. „Unser Wunsch ist es, dass Eltern sich trauen, selbst zu bestimmen und zu entscheiden. Auch, wenn zugefüttert werden muss“, sagt Gemeinder.

Nora Elosge, Hebamme und Mitglied der Hebammenkoordinierungsstelle Stuttgart, erläutert, dass es eben nicht so sei wie die Werbung suggeriere. Darauf versuche man mit der Aktion im Stadtpalais hinzuweisen. Elgose begleitet seit sieben Jahren junge Familien und betont, dass das Stillen nicht angeboren sei. „Man muss es lernen. Auch ein Baby stillt sich zum ersten Mal, wenn es geboren ist“. Frauen würden sehr unterschiedlich in die Stillzeit starten. Stillen sei nach wie vor nicht gleichberechtigt für alle Frauen, merkt sie an. Das gehe schon bei der Stillberatung im Krankenhaus los, da die Angebote sehr unterschiedlich seien. Wenn das Thema Wiedereinstieg in den Beruf aufkomme, unterstützten Arbeitgeber ebenfalls sehr unterschiedlich.

Auch wenn das Stillen heute als natürlich gilt, sei es in der Öffentlichkeit nach wie vor ein Tabu, so Kerstin Gemeinder. Mit der Stillwoche wollen die Organisatoren auch ein Zeichen setzen, Frauen weiterhin dazu ermutigen ihre Babys auch in der Öffentlichkeit zu stillen und das Stillen in den öffentlichen Fokus zu rücken.

Kerstin Gemeinder von den Frühen Hilfen Stuttgart und die Kinderbeauftragte der Stadt: Maria Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Aber nicht jede Frau fühlt damit wohl, in der Öffentlichkeit zu stillen und wünscht sich stattdessen einen ruhigen Ort dafür. „Wie können wir als Kommune die Frauen unterstützen?“, fragt sich die Stuttgarter Kinderbeauftragte, Maria Haller-Kindler. Eine der Antworten sind mehr Rückzugsorte und Wickelmöglichkeiten für Frauen, die auf einer digitalen Karte auf der Internetseite von Frühe Hilfen einzusehen sind.

Reaktionen in der Öffentlichkeit nicht immer positiv

Während der Gespräche im Stadtpalais wird klar: Die Erfahrungen der anwesenden Frauen in Bezug auf das Stillen sind vielfältig. Sandra Diel ist seit zehn Wochen Mama. Der kleine Mats ist offensichtlich ein rundum zufriedenes Baby. Für sie war das Stillen nie ein Problem. Kein Milchstau, keine Entzündungen und im Marienhospital, wo der Kleine auf die Welt kam, wurde sie nach der Geburt gut unterstützt. Zudem war es in den ersten Wochen nach der Geburt sommerlich warm und das machte das Stillen einfacher. Schlechte Erfahrungen habe sie nicht gemacht. Sie glaubt dennoch, dass das Thema in der Gesellschaft unterschiedlich behandelt würde. Sie selbst komme aus dem ländlichen Raum und gerade die ältere Generation habe eine eher zurückhaltende Haltung zum Stillen.

Die Mom ist auch ein Wow. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Sophia Liszkai hingegen ist beim Stillen vorsichtig geworden. Sie hat es so erlebt: „Bis das Kind sechs Monate alt ist, erwartet die Gesellschaft, dass man die Kleinen stillt, danach ist Stillen wieder zu lang.“ Die 24-jährige Mama stillt ihren eineinhalbjährigen Sohn nur noch selten öffentlich. Grund: Als Aris ungefähr ein Jahr alt war und sie ihn in der Bahn stillte, erntete sie den spitzen Kommentar einer Mitreisenden „Wie alt bischt denn Du?“. Man merkt, das Thema bewegt die Gemüter. „Aktionen wie die Stillwoche sind wichtig, um das Stillen sichtbarer zu machen“, sagt deshalb auch Lena Schott, Hebamme und Mitglied der Hebammenkoordinierungsstelle Stuttgart.