Akkubetriebene Geräte sind auf dem Vormarsch – doch Stihl fertigt diese vor allem im Ausland. Foto: Frank Eppler

Die Gartengeräte werden leiser, der Wettbewerbsdruck lauter. Wie Stihl auf die Akku-Welle reagiert – und was das für Waiblingen bedeutet.

Motorsägen und Heckenscheren knattern, Laubbläser dröhnen – lange Zeit war diese Soundkulisse untrennbar mit manchen Gartenarbeiten verbunden. Doch seit einigen Jahren geht der Trend immer mehr zu Elektrogeräten, in deutschen Vorgärten wird es immer stiller. Bei vergleichbarer Leistung der Geräte wohlgemerkt.

 

Der Waiblinger Gerätehersteller Stihl – groß geworden vor allem mit Benzingeräten – steht dadurch vor dem größten Umbruch seiner 99-jährigen Geschichte. Firmenchef Michael Traub schätzt, bis zum Jahr 2030 werden batteriebetriebene Geräte in vielen Märkten den Ton angeben. In Westeuropa tun sie es längst. In Deutschland liege der Anteil der verkauften Akkugeräte schon bei mehr als 60 Prozent.

Akku oder Benzin? Stihl will beide Technologien parallel anbieten

Gerade im professionellen Bereich und in schwer zugänglichen Gegenden – man denke an kanadische Wälder oder den südamerikanischen Dschungel – haben Benzingeräte aber immer noch Vorteile. „Profis brauchen nach wie vor Benzingeräte für die härtesten Jobs“, sagt Traub. Er betont, Stihl wolle seinen Kunden weiterhin beide Technologien parallel anbieten. „Wir dürfen nicht dogmatisch sein. Kunden müssen bei uns das beste Benzin- und das beste Akku-Gerät bekommen“, betonte Traub.

Das Waiblinger Unternehmen erzielt rund 90 Prozent seines Umsatzes im Ausland, auf jedem Kontinent gibt es Niederlassungen – die dortigen Märkte ticken teilweise komplett anders. Welchen Spagat die Firma dafür meistern muss, zeigt ein aktueller Werbespot von Stihl USA. Dort kämpfen kernige Feuerwehrleute gegen einen Waldbrand. „Wir sind dazu aufgerufen, diesem großartigen Land zu dienen“, heißt es im Spot. Unterstützt werden die Protagonisten von Wasserbombern, Fallschirmspringern und – natürlich – Stihl-Gerätschaften. Benzingetrieben, versteht sich.

Export bei Stihl: Zölle von Donald Trump machen das Leben schwer

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ticken die Uhren anders – erst recht unter Donald Trump. „Wie man es auch dreht – am Ende werden die Verbraucher die Zölle bezahlen müssen, und das führt zu Inflation“, sagt Michael Traub mit Blick auf die vom US-Präsidenten verhängten Strafzölle.

Stihl-CEO Michael Traub Foto: Stihl

Er sieht Stihl in den USA dennoch gut aufgestellt, immerhin betreibe die Firma seit 1974 ein Werk in Virginia Beach – so werden zumindest die dort gefertigten Produkte dank des „Made in USA“-Siegels von Zöllen ausgenommen. Stihl hat jüngst auch angekündigt, den regionalen Firmenbereichen bei Entscheidungen mehr Raum zu lassen, um auf die Besonderheiten der jeweiligen Märkte reagieren zu können.

Stihl-Standort Deutschland – Gefertigt wird zunehmend woanders

Paradoxerweise geraten die Stihl-Standorte in Deutschland, also ausgerechnet in einem der Länder mit der höchsten Nachfrage nach Elektrogeräten, bei deren Fertigung ins Hintertreffen. Noch vor Jahresende geht für 125 Millionen Euro ein neues Werk in Rumänien in Betrieb [Anm.: In einer früheren Version des Artikels war eine falsche Summe genannt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen]. Im Sommer kündigte Stihl zudem an, neue, drahtlose E-Mähroboter künftig in China zu entwickeln und zu produzieren. Auch dies sorgte in der Belegschaft für Unruhe – mit Produkten aus Fernost wird man dort nicht gerne in Verbindung gebracht.

Für Waiblingen bedeutet Letzteres die Streichung von 100 Jobs – zusätzlich zu den weltweit 500 Stellen, die nach dem Abflauen des Garten-Booms zur Coronazeit abgebaut werden. Der Aufsichtsratschef Niklas Stihl begründete die Schritte mit angeblich „toxischen Standortbedingungen in Deutschland – hohen Baukosten, ausufernder Bürokratie und hohen Arbeitskosten“.

Stihl: Neuartige Matrix-Fertigung macht Fertigung rentabler

Matrixfertigung bei Stihl Foto: Stihl

Gleichzeitig versucht Stihl, auch an den hiesigen Produktionsweisen etwas zu verändern. Ein Beispiel ist die neuartige, laut Stihl weltweit einzigartige „Matrix“-Fertigung, wie sie seit rund anderthalb Jahren angewandt wird. Statt eines klassischen Fließbands, bei dem ein Defekt oder ein Stau an einer Station sich zwangsweise auf die nachfolgenden Stationen auswirkt, werden die Geräte dort von Robotern zwischen flexiblen Arbeitsstationen hin und her gefahren.

Zusammengeschraubt werden die Produkte dann ebenfalls von Robotern. Dieser hohe Grad an Automatisierung macht es sogar möglich, zwei verschiedene Geräte parallel auf derselben Strecke zu montieren – einen Trennschleifer und eine Motorsäge, beides professionelle Akku-Geräte. Auch eine Umstellung der Produktion ist viel einfacher möglich als bei herkömmlichen Produktionslinien und mit menschlichen Mitarbeitern. Zu vielen weiteren Einzelheiten der „Matrix“, die zusammen mit dem Fraunhofer Institut entwickelt wurde, hält sich Stihl derzeit bedeckt, um den Vorsprung nicht zu verspielen.

Ob die Matrix zur langfristigen Sicherung des Produktionsstandorts Deutschland beiträgt und wie viele Arbeitsplätze sie schaffen beziehungsweise erhalten könnte, wird sich erst noch zeigen. Denn die meiste Arbeit wird dabei von Robotern erledigt. Zudem gibt sich Stihl-Chef Michael Traub noch vorsichtig: „Die Matrix ist für uns eher ein Testfall als eine grundlegende Änderung unserer Strategie“, erklärt er. Aber gleichzeitig ist sie doch ein Hoffnungsschimmer dafür, dass der Elektro-Innovationszug in Deutschland noch nicht abgefahren ist.