Starke Menschen: Friederike und Clemens Ladenburger, die Eltern der ermordeten Studentin Maria. Foto: dpa

Die Eltern der ermordeten Freiburger Studentin werden für die Gründung ihrer Stiftung als Bürger des Jahres ausgezeichnet.

Berlin - Wie steht man das durch? Wie steht man morgens auf, wenn wieder ein Tag mit dem Gedanken an die getötete Tochter beginnt? Wie schafft man es, seiner Arbeit nachzugehen, Essen zu kochen, sich um die Kinder zu kümmern, mit anderen Menschen zu sprechen – weiterzumachen, irgendwie? Und woher nimmt man dann die Kraft und Größe, all dem unbedingt etwas Gutes entgegensetzen zu wollen?

Friederike und Clemens Ladenburger stehen am Mittwoch hinter einem Rednerpult in Berlin, nah beieinander, die Gesichter offen, beherrscht, konzentriert. „Wenn Maria ihre Tasche gepackt hat“, sagt Friederike Ladenburger, „dann fehlte selten ihr Skizzenbuch.“ Die Tochter zeichnete und schrieb darin, und jetzt zitiert die Mutter einige Zeilen aus einer Selbstbetrachtung. Eine junger Mensch äußert sich da, der sich gerade sucht und der Welt erzählt, wie glücklich es machen kann, wenn man spürt, wie einem die Sonne aufs Gesicht scheint. „Als es dunkel in unserem Leben wurde, hat sich neben allem Schmerz und aller tiefer Fassungslosigkeit auch ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit festgesetzt“, sagt Friederike Ladenburger ins Mikrofon, das Publikum ist sehr leise. „Diese Dankbarkeit für Marias Leben ist eine Haltung, die uns hilft unser Schicksal zu meistern.“

Das Wort Bürger scheint fast ein wenig klein

Die Ladenburgers werden an diesem Tag als „Bürger des Jahres“ ausgezeichnet – der Preis wird vom Verlegerverband der mehr als 300 Zeitungen verliehen, für herausragendes Engagement. Für das, was die Ladenburgers geschafft haben und schaffen, scheint das Wort Bürger fast ein bisschen klein.

Vor zweieinhalb Jahren hat die fünfköpfige Familie Maria verloren. Die Studentin wurde im Oktober 2016 in Freiburg auf dem Heimweg von einer Party von einem Flüchtling aus Afghanistan vergewaltigt und ermordet. Das Verbrechen wühlte das ganze Land auf, denn alles kam zusammen: die Grausamkeit der Tat, welche jede junge Frau hätte treffen können, ein vorbestrafter, angeblich Schutz suchender Täter, der die chaotischen Tage des Sommers 2015 mit einer Lüge ausnutzte und dessen kriminelles Vorleben wegen Behördenüberlastung unentdeckt blieb. Und in all den Schmerz, die Debatte, den Prozess, die Hassmails hinein setzte die Familie ein Zeichen: Im März 2018 gründete sie die Maria-Ladenburger-Stiftung, die Studierende an der Uni Freiburg unterstützt.

In ihrer Laudatio nennt die Ehefrau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, dieses Engagement „gelebte Nächstenliebe“, weil „Sie nicht zulassen, dass der Hass gewinnt, weil sie mit der Stiftung Marias Lebensfreude weitertragen“. Bildungsarbeit wie es die Stiftung zum Zweck habe, sei Friedensarbeit: „Denn Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben, zu einem selbstbestimmten Leben, in dem man auch anderen ihr Lebensglück gönnt.“

Für die Eltern gab es mehrere Motive, diesen Kraftakt zu stemmen: So sollte der Name der Tochter nicht mit der Tat verbunden bleiben, sondern mit ihrer Persönlichkeit: „Maria war eine Mutmacherin“, sagt die Mutter. Und der Vater ergänzt, die Initiative sei auch ein Debattenbeitrag dafür, „dass wir als Marias Eltern nicht möchten, dass in unserer Gesellschaft Taten des Hasses und kaltblütiger Menschenverachtung wiederum mit Hass und Hetze beantwortet werden. Denn wenn das geschieht, dann droht eine Spirale, die die Grundlagen unseres gesellschaftlichen Miteinanders angreifen könnte“. Die Ehrung, so sagen die Ladenburgers, habe aus „einem kleinen Zeichen ein größeres Zeichen der Mitmenschlichkeit in Marias Sinne gemacht“.

Der Preis mache sie ein bisschen verlegen – wo doch an vielen anderen Orten in Deutschland, an denen Schlimmes geschehen sei, auch andere Menschen zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine gegründet hätten. „Wenn all diese Menschen sich ein wenig mitausgezeichnet fühlen“, sagt Clemens Ladenburger, „dann freuen wir uns gleich doppelt.“