Leidtragende der Nestwerk-Insolvenz war auch der Körperbehindertenverein, der hier mit der Stiftung bauen wollte. Jetzt springt die Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau ein. Foto: Leif Piechowski

Viele Jahre arbeitete die Stadt mit der Stiftung Nestwerk Hand in Hand beim Bau von Sozialwohnungen. Als die Stiftung 2010 Insolvenz anmelden musste, wurde offenbar, dass der ehemalige geschäftsführende Vorstand Banken getäuscht und in die eigene Tasche gewirtschaftet haben musste.

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sieht es als erwiesen an, dass mit Scheinrechnungen, gefälschten Unterlagen und diversen Buchhaltungs- und Bilanzdelikten Geld für Nestwerk, die Stiftung zur Verhinderung von Obdachlosigkeit, erschlichen und für private Zwecke unterschlagen worden ist. Verantwortlich dafür macht sie den ehemaligen geschäftsführenden Vorstand der Stiftung.

Dieser präsentierte Nestwerk nach außen stets als ein gutgehendes Geschäftsmodell. In Zusammenarbeit mit der Stadt wurden Wohnbauprojekte initiiert und gefördert. Nach Fertigstellung konnte die Stadt im Gegenzug Wohnraum für Sozialmieter zur Verfügung stellen.

Die Geschäftsräume in Bad Cannstatt waren überdurchschnittlich groß und teuer ausgestattet, in der Garage parkten Leasingfahrzeuge, unter anderem ein Porsche Cayenne. Um einen standesgemäßen Auftritt bemüht, bediente sich der Ex-Geschäftsführer mittels zahlreicher Barabhebungen. Teure Restaurantbesuche, ja selbst eine Ausfahrt mit Stretchlimousine seien aus den Stiftungsmitteln finanziert worden. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat er im Zeitraum von 2007 bis Oktober 2010 für private Zwecke mehr als 500.000 Euro entnommen. Darüber hinaus sollen diverse privat genutzte Autos und die Miete für Privatwohnungen aus dem Stiftungsvermögen bezahlt worden sein. Gleichzeitig habe der ehemalige geschäftsführende Vorstand eine insolvenzreife Tochtergesellschaft, die Nestwerk GmbH, künstlich am Leben gehalten. Es seien Scheinrechnungen ausgestellt worden, für die keine Leistung erbracht worden sei. Mehr als 1,8 Millionen Euro Schaden entstanden durch diese Untreuefälle.

Sowohl Miet- und Kaufverträge als auch Rechnungen waren gefälscht

Hinzu kam eine Finanzakrobatik, die zum Schaden der Stadt und der Banken endete. Zwei Banken waren als Darlehensgeber aufgetreten und im Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats im Mai 2012 auch benannt worden: die Volksbank und die L-Bank. Dort sei der Ex-Geschäftsführer um Kredite vorstellig geworden. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hatte er Mietverträge vorgelegt, die langfristig mit der Stadt geschlossen waren. In einem weiteren Fall habe der Ex-Geschäftsführer vorgegeben, eine Containeranlage gekauft zu haben. Die Anklagebehörde schreibt nun: Sowohl Miet- und Kaufverträge als auch Rechnungen waren gefälscht. Solchermaßen getäuscht haben die Banken mehr als 16 Millionen Euro an die Stiftung ausgezahlt; der verbleibende Schaden liegt bei 9,2 Millionen Euro.

Die Stadt Stuttgart kostet das betrügerische Geschäftsgebaren dieses Ex-Vorstands 4,76 Millionen Euro. 3,9 Millionen davon sind an Nestwerk als Wohnungsbauförderung ausgezahlt worden, 834.000 Euro betreffen Ausfallbürgschaften.

Ex-Geschäftsführer wird Untreue vorgeworfen

Zu den Verantwortlichen gehört auch die Ehefrau des ehemaligen geschäftsführenden Vorstands, bei Nestwerk einst für Buchhaltung zuständig. Gegen sie erhebt die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Beihilfe. Gegen den ehemaligen ehrenamtlichen Vorstand von Nestwerk wird Anklage erhoben, weil er seinen Vorstandskollegen nicht ausreichend überwacht habe.

Dem Ex-Geschäftsführer und seiner Frau wirft die Staatsanwaltschaft Untreue im besonders schweren Fall für rund 140 Taten vor, wobei jede einzelne mit Haftstrafen von sechs Monaten bis zehn Jahren geahndet werden kann. Hinzu kommen die Fälle von Urkundenfälschung und Betrug. Die Anwälte der drei Verantwortlichen wollten dazu am Freitag keine Stellung nehmen.