Die Wüstenrot-Stiftung hat einen Brief von Schiller ersteigert, der sich an den Hamburger Theaterdirektor Friedrich Ludwig Schröder richtete. Das Schreiben wird dem Literaturarchiv in Marbach als Dauerleihgabe überlassen.
Marbach - Ein regelrechter Clou scheint der Wüstenrot-Stiftung nun bei der Frühjahrsauktion des Berliner Auktionshauses Stargardt geglückt zu sein. Laut einer Pressemitteilung des Deutschen Literaturarchivs (DLA) hat die Stiftung einen bedeutenden Brief von Friedrich Schiller ersteigert, der dem DLA als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wird. „Dank dieser großzügigen Entscheidung steht der für die Schiller-Forschung besonders bedeutsame Brief jetzt der Wissenschaft zum ersten Mal im Original zur Verfügung“, erklärt das Literaturarchiv und spricht von einer „wahrhaften Wiederentdeckung“.
Nach seiner letzten Versteigerung kurz nach dem Ersten Weltkrieg habe sich der Brief 100 Jahre lang in Privatbesitz befunden. In den vergangenen Jahren habe es auf dem Autografen-Markt kaum ein vergleichbares Stück gegeben. In dem fünfseitigen Schreiben vom 13. Juni 1787 an den Hamburger Schauspieler und Theaterdirektor Friedrich Ludwig Schröder, dem Schiller das Manuskript des „Don Carlos“ für die Hamburger Uraufführung zusandte, erörtert der berühmte Schriftsteller theaterpraktische Fragen wie Textkürzungen, Rollenbesetzungen oder Aspekte der Bühnenwirksamkeit.
Deutlich wird in diesem Brief nach Angaben des Deutschen Literaturarchivs auch der revolutionäre Geist des Autors, der in seinem „Don Carlos“ in die berühmte, zur Sentenz gewordene Aufforderung mündet: „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“
In Schillers Brief gehe es zunächst um das solchem Freiheitsstreben entgegengesetzte Prinzip, um die Figur des Großinquisitors: „Aber über eine Hauptsache muß ich mich mit Ihnen berichtigen. Ich weiß nicht zu bestimmen, wie weit in Hamburg die Toleranz geht. Ob z. B. ein Auftritt des Königs mit dem Großinquisitor statt finden kann. Wenn Sie ihn gelesen haben, werden Sie finden, wie viel mit ihm für das Stück verloren seyn würde [. . .]. Wenn Kleidung und Name Schwierigkeiten machten, so verändern Sie beides nach Gutbefinden. Gerne geb ich der Schwachheit diese Nebensachen preiss, wenn mir meine Contrebande dadurch erleichtert wird. Über den Auftritt Philipps mit dem Marquis habe ich in der Republicanischen Stadt hoffentlich nicht unruhig zu werden.“ Schillers in dem Brief erwähnte „Contrebande“, also die Forderung nach Geistesfreiheit, sei ein Menschheitsanliegen bis heute geblieben, heißt es in der Mitteilung des Literaturarchivs. „Mit dem neu erworbenen Brief liegt nun ein weiteres originales Zeugnis dafür in Marbach“, stellt das DLA fest.