Dank ihrer Stimme ist Eva Mattes auch im Kleid ein wahrer Seemann. Foto: Eveline Blohmer

Als Konstanzer Ermittlerin Klara Blum ist die Schauspielerin Eva Mattes eher ruhig und zurückhaltend. Im Stiftstheater zeigte Mattes, wie hochkarätig ihre Stimmbänder sind und erzählte, welche Hochkaräter der deutschen Kulturlandschaft sie traf.

Riedenberg - Der „Tatort“-Kolumnist der Zeitung „Die Welt“ hat kürzlich gefordert, der SWR möge Eva Mattes freigeben. Der Blick vom Fernsehturm hat einen besseren Vorschlag: Lasst Kommissarin Blum künftig bei ihren Ermittlungen singen! Denn mit ihrer Stimme wäre Klara Blum alias Eva Mattes imstande, Gefühle zu transportieren, die ihr der beste Drehbuchautor nicht mit Sätzen in den Mund legen kann. Das hat sie am Freitagabend im gut besuchten Stiftstheater des Sillenbucher Augustinums bewiesen.

Vermutlich wäre Mattes selbst diesem Vorschlag nicht ganz abgeneigt, macht sie doch während ihres 90-minütigen Programms, bei dem sie von ihrer langjährigen Freundin Irmgard Schleier am Flügel begleitet wird, keinen Hehl aus ihrer Liebe zur Musik und ihrer Sympathie für die Figur Klara Blum: „Sie träumt, tanzt, singt und isst gern, und sie fährt gerne Auto – so wie ich.“ Dass beim Konstanzer Sonntagskrimi nicht nur der Schauplatz sondern auch der Platz auf der „Tatort“-Beliebtheitsskala eher südlich angesiedelt ist, scheint Mattes nicht im Geringsten zu stören. Muss es auch nicht, hat sie es in 59 Jahren auf Erden doch offenkundig zu so viel gebracht, das ihr zur Identifikation gereicht und ein gesundes Selbstbewusstsein legitimiert.

Zadek, Ibsen, Fassbinder, Dietrich

Das wird deutlich, wenn sie zwischen Singen und Erzählen aus ihrer Autobiografie „Wir können nicht alle wie Berta sein“ liest. Schon hinter dem Titel verbirgt sich Hochkultur: Er ist ein Zitat aus dem Schauspiel „Die Wildente“ von Henrik Ibsen, das Peter Zadek 1975 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg inszenierte und bei dem Eva Mattes zum ersten Mal mit ihm zusammenarbeitete.

Überhaupt wirken die Einblicke, die Mattes dem Publikum in ihren Werdegang gewährt, wie eine Einführung in deutsche Theater- und Filmkunde. Die Liste derer, mit denen sie spielte, drehte und die sie kennenlernte, reicht, um nur einige wenige Persönlichkeiten zu nennen, von Regisseur Michael Verhoeven, mit dem sie als 15-Jährige den Antikriegsfilm „o.k.“ drehte und damit für einen Skandal bei der Berlinale sorgte, Verhoevens Frau und Schauspielerin Senta Berger, die der jugendlichen Mattes Badewanne und Kosmetika lieh, über Werner Herzog, mit dem sie mehrere Filme drehte, liiert war und Tochter Hanna zeugte, und Marlene Dietrich, die Mattes für ein Friedenskonzert gewinnen wollte (die Dietrich wollte aber nicht und spielte Mattes am Telefon vor, sie sei ihr eigenes Dienstmädchen), geht über Ute Lemper und Hanna Schygulla bis zu Rainer Werner Fassbinder. Ihn verkörperte Mattes im Film „Ein Mann wie EVA“ (EVA ist eine Anspielung auf die Fassbinder-Initialen RWF).

Verwandlung mit Stimmeinsatz

Nun liegt die Vermutung vielleicht nahe, dass die gebürtige Tegernseerin die Namen all der Berühmtheiten in ihrem Programm unterbringt, um die eigene zu unterstreichen. Und ja, der Zuhörer und -schauer merkt ihr an, dass sie stolz ist auf ihre Begegnungen. Aber eben nicht, weil sie sich damit schmücken kann, sondern weil sie sie zu dem machten, was sie ist: Eine Schauspielerin durch und durch, weil bis zu den Stimmbändern. Mattes setzt sie an diesem Abend ein, um sich mit der Titelmelodie, die sie für den Kinderfilm Pippi Langstrumpf sang, in ein freches Mädchen zu verwandeln, um beim gleichnamigen Lied von Hans Albers zu einem Seemann „auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ zu werden, um beim „Emigrantenchoral“ ein Flüchtling zu sein. Sie sorgt mit dem italienischen Arbeiterlied „Amare terra mia“, mit „Lilli Marleen“ und mit Wolf Biermanns „Und als wir ans Ufer kamen“ für tiefe Rührung und Melancholie und flirtet dann bei „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ gekonnt mit dem Publikum – mit dem Publikum, das gewiss keinen Konstanzer „Tatort“ mehr sehen kann, ohne sich zu wünschen, Klara Blum möge singen.