Mit einer Hardware-Nachrüstung lassen sich Stickoxide im Dieselabgas wirkungsvoll entfernen. Foto: dpa

Der ADAC hat vier Euro-5-Dieselautos nachträglich mit SCR-Katalysatoren ausgerüstet und damit den Stickoxidausstoß um bis zu 70 Prozent gesenkt. Bei flächendeckender Einführung könnten verkehrsbedingte Emissionen um ein Viertel sinken.

Stuttgart - Während in der möglichen neuen Bundesregierung noch über die Hardware-Nachrüstung älterer Diesel debattiert wird und Fahrverbote in Stuttgart und anderen Städten drohen, gehen der ADAC und das baden-württembergische Verkehrsministerium in die Offensive. Gefördert von der Landesregierung hat der Automobilclub zwei Diesel-Pkw und zwei Diesel-Transporter mit sogenannten SCR-Systemen zur Abgasreinigung nachgerüstet, die von vier Firmen angeboten werden. Die Systeme wurden auf dem Prüfstand und auf der Straße getestet. Am Dienstag hat der ADAC Württemberg die Ergebnisse in seiner Zentrale am Stuttgarter Neckartor vorgestellt – also dort, wo regelmäßig der Stickoxidgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gerissen wird.

Die Messwerte aus dem realitätsnahen WLTP-Prüfstandzyklus zeigen, dass die Stickoxidemissionen der Testfahrzeuge durch die Nachrüstung um 50 bis 78 Prozent zurückgegangen sind. Bei kaltem Motor ermittelten die ADAC-Techniker immerhin noch Minderungsraten von 44 bis 61 Prozent. Im Serienzustand emittierten die Fahrzeuge zwischen 400 und knapp 1000 Milligram Stickoxide (NOx) pro Kilometer. Im Stadtverkehr und bei kaltem Motor lagen die Emissionen sogar zwischen knapp 1000 und rund 1300 Milligramm.

Breite Einsatzmöglichkeit

Der Grenzwert für Euro-5-Diesel beträgt bei Pkw 180 und bei leichten Transportern 280 Milligramm pro Kilometer. Unter Straßenbedingungen – also bei der Messung der sogenannten Real Driving Emissions (RDE) – wurden diese Werte trotz der deutlichen Emissionsminderungen allerdings auch nach der Umrüstung nicht erreicht. Auf dem Prüfstand liegen die beiden Pkw-Modelle – ein Mercedes B 180 CDI und ein Opel Astra Sports Tourer 1.7 CDTI – aber deutlich unter dem Grenzwert. Die geprüften Transporter – ein Fiat Ducato 130 Multijet 2,3 D und ein VW T5 Multivan 2.0 TDI – lagen nur knapp darüber.

Die ablehnende Haltung der Autohersteller gegen eine Hardware-Nachbesserung von Dieselautos weist der ADAC zurück. „Die SCR-Nachrüstung ist bei einem Großteil der Euro-5-Fahrzeuge möglich“, sagte Reinhard Kolke, Leiter Test und Technik bei dem Automobilclub. Die Autobauer verweisen dagegen auf hohe Kosten, einen großen Entwicklungsaufwand und Platzprobleme beim Einbau des SCR-Systems. So bezifferte Daimler-Chef Dieter Zetsche kürzlich bei der Jahrespresskonferenz den Zeitaufwand für die Entwicklung zuverlässiger Nachrüstlösungen auf zwei bis drei Jahre.

„Fake News der Industrie widerlegt“

Dem widerspricht der württembergische ADAC-Chef Dieter Roßkopf: „Der Test des ADAC Württemberg hat die Fake News der Industrie endgültig widerlegt: Hardware-Nachrüstung funktioniert“. Um dies zu belegen, hat der Automobilclub auch Modellrechnungen angestellt, wie sich der Einbau von SCR-Systemen auf die Luftqualität am Neckartor auswirken würde. Ergebnis: Würden alle Euro-5-Dieselfahrzeuge mit der katalytischen Abgasreinigung mithilfe der Harnstofflösung ausgerüstet, könnte die Stickoxidbelastung am Neckartor um 25 Prozent sinken. Dabei wurde eine Emissionsminderung von 70 Prozent bei den nachgerüsteten Autos angenommen. Die von den Autobauern favorisierten Softwareupdates bringen nach bisherigen Erfahrungen nur rund 25 Prozent weniger Stickoxide pro Fahrzeug .

ADAC-Technikexperter Kolke hält bei einer weiteren Optimierung der Systeme – etwa durch zusätzliche Softwareänderungen – auch höhere Emissionsminderungen durch die Hardware-Nachrüstung für möglich. Bei einem VW-Passat 1.6 TDI, der mit einem SCR-System von Baumot ausgerüstet war, hatte der ADAC Stickoxidminderungen von 90 Prozent und mehr gemessen. Allerdings sei hier auch die Entwicklungszeit länger gewesen als bei den aktuellen Tests, bei denen die Nachrüstfirmen nur wenige Wochen Zeit gehabt hätten, um ihre Systeme an die Fahrzeuge anzupassen.

„Es geht, wenn man will“

„Es geht, wenn man will“, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann bei der Vorstellung der Ergebnisse. Sein Ministerium hat die ADAC-Tests zur Hälfte finanziert. Bei einer flächendeckenden Nachrüstung mit SCR-Systemen könnte die Stickoxidbelastung in vielen Städten, die von möglichen Fahrverboten betroffen wären, unter den gesetzlichen Grenzwert sinken, sagte der Grünen-Politiker. Dazu müsse aber die Bundesregierung rasch die gesetzlichen Grundlagen für eine Nachrüstung in großem Stil schaffen. Ähnlich wie seinerzeit bei der Nachrüstung mit Diesel-Partikelfiltern müssten die SCR-Anlagen vom Kraftfahrt-Bundesamt zugelassen werden.

Wie der ADAC forderte auch der Minister, dass die Hersteller die Daten ihrer Motorsteuerungen offenlegen, um die SCR-Systeme optimal anpassen zu können. Zudem müssten die Autokonzerne die Kosten der Umrüstung tragen, die nach ADAC-Angaben zwischen 1400 bis 3300 Euro inklusive Einbau liegen sollen. Herman: „Das wäre nichts anderes als eine Wiedergutmachung für getäuschte Kunden“.

Branchenverband: Nicht ausgereift

Der Branchenverband VDA sieht die ADAC-Studie kritisch. Einzelne Messwerte belegten, dass die Technik nicht ausgereift sei, sagte ein Sprecher, der den Entwicklungsaufwand ebenfalls mit bis zu drei Jahren bezifferte. Softwarwupdates wirkten dagegen viel schneller. Zudem kritisiert der VDA, dass der Spritverbrauch der Testfahrzeuge zwischen einem und sechs Prozent höher war als vor der Umrüstung. Damit stiegen auch die CO2-Emissionen, was den Klimaschutzzielen zuwiderlaufe. Auch hier fahre man mit Softwareupdates besser.

Georg Wachtmeister von der TU München hält die Nachrüstung von SCR-Systeme dagegen laut einem Gutachten, aus dem der „Spiegel“ zitiert hatte, für eine „sehr effiziente Maßnahme zur Emissionsreduzierung“. Der Motorenfachmann ist Mitglied in einer der vier Expertengruppen, die nach dem Dieselgipfel von der alten Regierung eingesetzt wurden. Eine offizielle Stellungnahme lehnt Wachtmeister mit Hinweis auf eine Vertraulichkeitserklärung ab.

So funktioniert die SCR-Reinigung

Prinzip
SCR steht für selektive katalytische Reduktion. Dabei werden die Stickoxide im Abgas – vor allem Stickstoffdioxid (NO2) – in Wasser und Stickstoff verwandelt. Für die Umsetzung wird Ammoniak benötigt. Das Gas wird aus der Harnstofflösung Adblue gewonnen, die in einem separaten Tank mitgeführt wird. Wie viel Adblue zugeführt werden muss, wird von einer Software aufgrund der aktuellen Stickoxidemissionen des Motors errechnet.

Bedingungen
Ein SCR-System funktioniert nur bei ausreichend hohen Abgastemperaturen gut. Das verursacht etwa auf Kurzstrecken erhöhte Emissionswerte. Dem kann man durch die Beheizung des Katalysators entgegenwirken. Anders als Euro-5-Diesel haben Euro-6-Diesel in der Regel ein SCR-System. Dass auch sie oft viel zu viel Stickoxide emittieren liegt unter anderem daran, dass die Anlagen nur in bestimmten Temperaturbereichen effizient arbeiten.

Anbieter
Der ADAC hat an vier Gebrauchtwagen, die ein bis fünf Jahre alt waren und in ihrem Segment hohe Marktanteile haben, SCR-Technik von vier Anbietern getestet. Ein Mercedes B 180 CDI wurde mit einem System von Dr. Pley ausgerüstet, ein Opel Astra CDTI 1.7 mit einem System von Twintec/Baumot. In einem Fiat Ducato 130 Multijet 2.3 D arbeitete ein SCR-Katalysator von HJS und im VW T5 Multivan 2.0 TDI ein System von Oberland-Mangold.