Sieht sich als Sieger der Stichwahlin Ecuador: Lenín Morena Foto: AFP

Der linksgerichtete Regierungskandidat Lenín Morena beansprucht den Wahlsieg in Ecuador, doch sein Herausforderer sieht sich ebenfalls als Sieger.

Mexiko-Stadt - Umfragen hatten einen engen Ausgang der Stichwahl um das Präsidentenamt in Ecuador vorhergesagt. Und dieses Mal behielten die Meinungsforscher Recht. Das Rennen zwischen dem linken Regierungskandidaten Lenín Moreno und dem rechtsliberalen Herausforderer Guillermo Lasso war ausgesprochen knapp, so knapp, dass der Herausforderer das Ergebnis nicht anerkannte. Nach Angaben des Nationalen Wahlrates CNE erzielte Moreno von der Partei Alianza País 51,12 Prozent der Stimmen, für Lasso vom Bündnis CREO stimmten demnach 48,88 Prozent der Wähler. Der Vorsprung des Links- auf den Rechtskandidaten beträgt gerade mal 200 000 Stimmen.

Lasso, ein Banker aus der Großstadt Guayaquil, sprach umgehend von Betrug und verlangte eine Neuauszählung aller Stimmen. „Es hat jemand bei rund 800 000 Stimmen Hand angelegt“, zürnte Lasso am Sonntagabend. Besonders verwunderte ihn, dass er bei einer Nachwahlbefragung noch mit 53 Prozent deutlich vorne gelegen hatte. Allerdings hatte eine andere Befragung nach der Abstimmung mit dem fast gleichen Ergebnis Moreno vorne gesehen. Auch die Stichproben der Organisation Participación Ciudadana ergaben kein klares Ergebnis. Die Organisation sprach von einem technischen Gleichstand. Lasso aber rief seine Anhänger auf, seinen angeblichen Sieg auf den Straßen friedlich zu verteidigen.

Damit setzt sich das Gezerre um das Wahlergebnis aus der ersten Runde fort. Mitte Februar hatte Moreno klar gewonnen, aber hauchdünn die notwendigen 40 Prozent für einen Sieg in der ersten Runde verfehlt. Das endgültige Ergebnis hatte sich schon damals tagelang hingezogen. Eine ähnliche Hängepartie deutet sich auch dieses Mal an.

Absturz der linken Regierungen scheint gestoppt

Einstweilen aber scheint der Absturz der linken Regierungen in Südamerika in Ecuador gestoppt. Nach Brasilien, Argentinien und Peru galt der kleine Andenstaat als das nächste Land, in dem nach gut zehn Jahren die Linksherrschaft zu Ende gehen würde. Der umstrittene und charismatische Präsident Rafael Correa, der einen Hang zum Autoritarismus hat, konnte nicht wieder antreten und schickte seinen früheren Vize-Präsidenten Moreno ins Rennen. Der 64 Jahre alte, seit einem Überfall vor 18 Jahren querschnittsgelähmte Moreno, war zwischen 2007 und 2013 Vize-Staatschef.

Er kündigte am Sonntag an, die „Bürgerrevolution“ von Präsident Correa werde weitergehen: „Mit dem Herz in der Hand danke ich allen, die friedlich zur Wahl gegangen sind.“ Er werde die Korruption in Ecuador ausrotten. „Ich werde die sauberste Regierung in der Geschichte des Landes führen!“

Die Arbeit für den vermutlichen Wahlsieger Moreno wird komplex, denn er übernimmt ein Land in der Rezension, und er kann nicht mehr über die großen finanziellen Ressourcen verfügen wie sein Vorgänger.   Während Correas Amtszeit wurden die Sozialausgaben verdoppelt, der Mindestlohn deutlich angehoben. Insgesamt stieg der Wohlstand im ganzen Land, wobei vor allem die armen Schichten ihre Situation verbessern konnten. 42 Prozent der Ecuadorianer bescheinigen Correa heute noch einen guten Job. Davon profitierte auch Moreno.

Einnahmen aus dem Ölgeschäft sind rückläufig

Nach Jahren der Bonanza mit einem Wachstum um die vier Prozent vor allem durch die Ölausbeutung ist Ecuador aber in eine Wirtschaftskrise gerutscht. Das Öl macht die Hälfte aller Exporte des Landes aus, ein Drittel der Staatseinnahmen stammen aus dem Verkauf des Rohstoffs, und er trägt 13 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Aber in den vergangenen zwei Jahren sind diese Einnahmen wegen der fallenden Weltmarktpreise um 40 Prozent zurückgegangen. 2016 schrumpfte das Bruttoinlandprodukt laut Zentralbank um 1,7 Prozent. Dennoch versprach Moreno einen starken Staat, der mit Sozialausgaben, Infrastrukturprojekten und der Ausbeutung der Ressourcen die Wirtschaft ankurbelt.

Mit Correa geht der letzte charismatische Staatschef aus der einst großen Riege linker Machthaber wie Hugo Chávez in Venezuela, Lula da Silva in Brasilien und Cristina Kirchner in Argentinien. Nur noch Evo Morales, Boliviens indigener Präsident, ist im Amt. Aber auch er muss in zwei Jahren abtreten, nachdem er ein Referendum zur Verfassungsänderung und weiteren Wiederwahl verloren hatte. Und in Venezuela hält sich Chávez’ Nachfolger Nicolás Maduro nur noch mithilfe von anti-demokratischen Maßnahmen an der Macht.