Ein genialer Unternehmensdirigent, wie ihn Danny Boyle sieht und Michael Fassbender verkörpert: Foto: Universal

Regisseur Danny Boyle und Drehbuchtor Aaron Sorkin zeigen den Computervordenker Steve Jobs als nicht gesellschaftsfähiges Genie.

Hollywood - Schlichte Bluejeans, ein schwarzer Rollkragenpullover, eine runde, randlose Brille – so werden seine Jünger den 2011 verstorbenen Computerguru Steve Jobs in Erinnerung behalten. Das Bild, das Regisseur Danny Boyle („Trainspotting“, „Slumdog Millionär“) von Jobs zeichnet, will dazu nicht recht passen. So unprätentiös sich der Apple-Gründer auf der Bühne auch gibt, hinter den Kulissen lässt er alle Bescheidenheit fahren. Statt seines einnehmenden Lächelns zeigt er Zähne. Michael Fassbender verkörpert diesen kühl kalkulierenden Kontrollfreak bravourös: Wer Jobs die Stirn bietet, muss dessen ätzenden Spott über sich ergehen lassen.

Der Programmierer Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg) bekommt das 1984 zu spüren, eine halbe Stunde vor der Präsentation des Macintosh-Computers. Die Sprachfunktion, mit der der Rechner das Publikum begrüßen soll, versagt. Und Hertzfeld versagen angesichts von Jobs’ Furor beinahe die Nerven. Jobs steht unter Strom, hetzt fahrig durch die Katakomben.

Tief im Bauch der Veranstaltungshalle gerät er mit seinem Kollegen Steve Wozniak (Seth Rogen) aneinander, mit seinem Geschäftsführer John Sculley (Jeff Daniels) und mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin Chrisann Brennan (Katherine Waterston), die Unterhalt für die gemeinsame Tochter verlangt. Jobs bestreitet zynisch die Vaterschaft und führt als Beweis einen Algorithmus an. Marketing-Managerin Joanna Hoffman (Kate Winslet) klebt ihm permanent an den Hacken, stets darauf bedacht, die Wogen zu glätten. Als Jobs endlich die Bühne betritt, springt der Film vier Jahre in die Zukunft.

Der theatrale Ansatz ist gewagt, geht aber auf

Drehbuchautor Aaron Sorkin („The West Wing“, „The Social Network“) hat Steve Jobs’ Leben als temporeiches Kammerspiel angelegt und verdichtet es in drei Akten. Auf die erste folgen zwei weitere Produktpräsentationen, bei denen der Computervordenker hinter den Bühnen seine beruflichen und privaten Konflikte ausficht. Sorkins blitzgescheite Dialoge transportieren Jobs’ Familien- und Firmengeschichte in konzentrierter Form, die Streitgespräche drehen sich um entscheidende Wegmarken in dessen Karriere. Ergänzt werden sie durch kurze Rückblenden, die aktuelle mit vergangenen Unterredungen virtuos ineinanderflechten.

Der theatrale Ansatz ist gewagt, zumal das Personal von Akt zu Akt nicht wechselt und so die Konstruktion der Handlung offenlegt, geht in Boyles Regie jedoch auf. Mit den Zeitebenen wechselt der Brite auch das Filmmaterial, von grobkörnigen 16-Millimeter- über glänzende 35-Millimeter- zu gestochen scharfen Digitalaufnahmen. Mal schwebt die Kamera über dem Geschehen, mal ruht sie auf dem Boden, meist eilt sie mit dem Protagonisten durch die Flure. Im Zusammenspiel mit einer dynamischen Montage wird aus dem Drama bei aller Nähe zum Theater ein ausgesprochen cineastisches Erlebnis.

Noch mehr als Danny Boyles ist „Steve Jobs“ aber Aaron Sorkins Film. Der schreibt nicht nur ausgefeilte Dialoge, sondern übersetzt das Credo seines Protagonisten, der sich zeitlebens als Künstler begriff, auch in anschauliche Szenen. Als Chrisann gleich zu Beginn Steve in dessen Garderobe entgeistert fragt, wozu man zu Hause einen Computer brauche, gibt ihre Tochter ungewollt die Antwort. Das Bild, das Lisa intuitiv am Rechner zeichnet, unterstreicht Jobs’ Verständnis eines funktionalen, assoziativ handhabbaren Designs. Auch dafür wird Jobs in Erinnerung bleiben.