Steve Blame Foto: Olivier Favre

Steve Blame, einer der bekanntesten MTV-Moderatoren, hat ein Buch geschrieben.

Köln - Steve Blame hat miterlebt, wie das war, zu Anfangszeiten beim hippen Musikfernsehen zu arbeiten. Er moderierte in London die legendären "MTV News", wechselte dann zu Viva nach Köln. Ein Gespräch über Leidenschaft, Idole und verlorene Momente.

Herr Blame, wann ist das Musikfernsehen für Sie gestorben?

1992. Die spannenden Zeiten waren die ersten fünf Jahre bei MTV. Damals konnten wir den Sender beeinflussen. Wir konnten machen, was wir wollten. Wenn jemand sagte, dass es da eine tolle Band in Israel gibt, sind wir eben nach Israel geflogen. Obwohl die Band kein Video hatte. Und auch keinen Plattenvertrag. Nach den ersten fünf Jahren wurde aber beschlossen, dass es nur Interviews mit Bands gibt, die ein Video und einen Plattenvertrag hatten. Dies machte es unmöglich, neue Bands zu unterstützen.

Ab dem 1. Januar wird MTV zum Bezahlsender. Interessiert Sie überhaupt noch, was bei Ihrem ehemaligen Arbeitgeber passiert?

Ich werde am 2. Januar 52. Ich bin nicht mehr die Zielgruppe. Mich würde es vielleicht interessieren, wenn es einen Musiksender gäbe, der ein bisschen so ist, wie MTV damals war. Doch Musikfernsehen ist nicht mehr Musikfernsehen. Das heißt nicht, dass es schlechter oder besser ist. Es ist nur anders. Es geht nicht mehr um die Musik.

Musikvideos aber gibt es nach wie vor.

Das stimmt. Musikvideos waren für Regisseure immer attraktiv. Es kann manchmal auch ein Sprungbrett sein.

Welches Video halten Sie persönlich für das beste aller Zeiten?

Schwierig. Ich mag die Videos von Chris Cunningham. "Come To Daddy" von Aphex Twin ist womöglich eines der Besten.

Sie waren das Gesicht der "MTV News", haben über 500 Popstars interviewt. Welche Begegnung ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Da gab es viele. Es ist aber nicht immer gut, wenn man seine eigenen Ikonen trifft. Die können langweilig und nicht besonders schlau sein.

Wer denn beispielsweise?

Das würde ich natürlich nie sagen. Ich war aber immer ein Bowie-Fan. Und David Bowie zu treffen, war wirklich sehr spannend. Madonna war natürlich herausragend. Damals war sie der größte Star der Welt. Doch Madonna zu interviewen, ist keine einfache Angelegenheit.

Warum das?

Sie ist sehr tough und wollte in jedem Moment die Kontrolle über das Gespräch haben. Dagegen muss man kämpfen, um ein gutes Interview zu machen. Ich mochte Madonna nicht wirklich. Das Interview aber war spannend.

War MTV wirklich so anarchisch, wie es nach außen den Anschein hatte?

Durchaus. Das war auch der Grund, warum MTV so gut funktioniert hat. Bei einem Musiksender ist es wichtig, dass die Leute eine Leidenschaft für Musik haben. Die Jugend muss die Macht haben. Ich wusste, dass meine Chefs keine Zeit dazu hatten, MTV zu schauen.

Nach MTV wurden Sie Programmchef von Viva 2.

Jetzt kommen wir zu den schlechten Seiten.

Warum das? Viva 2 war ein Sender, der von einigen noch heute schmerzlich vermisst wird.

Das war nicht mein Viva 2. Eine Kollegin und ich hatten für Dieter Gorny, den Viva-Chef, einen Plan gemacht. Wir konnten diesen aber nicht umsetzen. Als wir dann Viva verlassen haben, wurde es zu einem besseren Viva 2. Das gebe ich gerne zu.

Mit Dieter Gorny, dem großen Medienmogul und Ihrem Chef, haben Sie sich angelegt. Sie landeten vor Gericht.

Wir hatten wirklich Probleme. Ein Jahr danach habe ich ihn aber wieder getroffen, und wir haben über diese schwierige Zeit gesprochen.

Sie haben ein wildes Leben geführt - mit Drogen und vielen Partys. Haben Sie heute damit abgeschlossen?

Ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel: Wenn man Alkoholiker ist, muss man erst am Boden sein, um sich selbst wieder aufzubauen. Ich hatte in meinem Leben ein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Das ist wie eine Krankheit. So ein Bedürfnis hat verschiedene Ursachen. Nach der Zeit bei Viva war ich am Boden und musste mir überlegen, was ich mit meinem Leben anstellen will.

Das war 1996. Sie bekamen eine Abfindung. Wie ging es mit Ihnen weiter?

Am Anfang habe ich mich versteckt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Vor MTV war ich dieser Stephen James, dann wurde ich zu Steve Blame. Als ich das Buch geschrieben habe, wurde mir klar, dass Steve Blame mein Leben übernommen hat. Stephen James ist sozusagen gestorben. In meinem Jahr nach Viva habe ich Blame gehasst. Er war der Typ, der mein Leben ruiniert hatte. Langsam wurde mir bewusst, dass diese beiden Persönlichkeiten ein und dieselbe Person sind. Ich bin jemand, der auch an den Schattenseiten des Lebens interessiert ist. Deshalb auch der Titel "Getting Lost Is Part Of The Journey", also "sich zu verlieren, ist Teil der Reise". Man ist oft verloren. Wir haben alle verlorene Momente im Leben. Das sind die Wichtigsten.