Finanzministerin Edith Sitzmann muss bei den Wünschen bremsen: die Steuereinnahmen steigen künftig nicht mehr so stark wie in den Vorjahren Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Seit 2009 sind die Steuereinnahmen des Landes um 64 Prozent auf 40,58 Milliarden Euro gestiegen. In den nächsten Jahren werde der Zuwachs allerdings deutlich geringer ausfallen, sagen die Steuerschätzer.

Stuttgart - Erleichterung im Finanzministerium in Stuttgart: Dem Land steht in diesem Jahr doch mehr Geld zur Verfügung als zunächst erwartet. Die Steuerschätzer rechnen für 2019 mit Steuereinnahmen von 30,38 Milliarden Euro netto, das sind 96 Millionen Euro mehr, als sie im Mai prognostiziert hatten. Das teilte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) am Montag in Stuttgart mit. Hauptgrund für die positive Entwicklung sei, dass Baden-Württemberg in diesem Jahr 590 Millionen Euro weniger in den Länderfinanzausgleich zahlen muss als erwartet. Aus diesem werden schwächere Bundesländer unterstützt. Brutto liegen die Steuereinnahmen im Südwesten mit 40,88 Milliarden Euro nur noch leicht über denen des vergangenen Jahres.

Auch in den kommenden zwei Jahren erwarten die Steuerschätzer ein leichtes Plus gegenüber ihren Prognosen vom Mai. 2020 rechnen sie mit Nettoeinnahmen von 31,31 Milliarden Euro (plus 482 Millionen Euro gegenüber der Mai-Schätzung), 2021 von 32,23 Milliarden Euro (plus 487 Millionen). „Das sind gute Nachrichten für Baden-Württemberg, ein Teil des bisher prognostizierten Rückgangs scheint wieder ausgeglichen zu sein”, sagte Sitzmann. Vor einem Jahr hatten die Steuerschätzer noch mit deutlich höheren Steuereinnahmen gerechnet, ihre Prognosen im Mai aber deutlich nach unten korrigiert.

Automobilsektor und Maschinenbau verunsichert

Grund für den insgesamt geringeren Anstieg der Steuereinnahmen ist die Unsicherheit vor allem im Automobilsektor und im Maschinenbau. Dafür sind insbesondere der Brexit und der Handelsstreit zwischen den USA und China verantwortlich. Wie sich diese Risiken konkret auswirkten und was das für die Steuereinnahmen bedeute, lasse sich aber nicht vorhersagen, sagte Sitzmann. Das Land müsse deshalb besonders vorsichtig handeln. Baden-Württembergs Wirtschaft wachse mit seinem hohen industriellen Anteil in Aufschwungphasen zwar meist überdurchschnittlich. „Aber wir sind zugleich von internationalen Risiken schneller betroffen als andere Länder. Dafür müssen wir vorsorgen.“

Die Ergebnisse der Steuerschätzung wurden am Montagabend auch in der Haushaltskommission der grün-schwarzen Koalition beraten. Um sich gegen künftige Haushaltsrisiken zu wappnen, empfahl Sitzmann, im Haushalt spürbar für konjunkturelle Risiken vorzusorgen. Denn 2022 erwarten die Steuerschätzer rund 147 Millionen Euro weniger als bisher angenommen. Anders als in früheren Jahren können Defizite künftig nicht mehr durch neue Schulden ausgeglichen werden. Denn 2020 tritt die Schuldenbremse in Kraft.

Grüne fordern mehr Rücklagen

An diesem Mittwoch wird Sitzmann den Doppelhaushalt 2020/21 in den Landtag einbringen, Mitte Dezember soll er verabschiedet werden. Für 2020 sind derzeit Ausgaben von 50,4 Milliarden Euro geplant, 2021 sind es 52,2 Milliarden Euro.

Die 1101 Kommunen in Baden-Württemberg müssen sich schon im laufenden Jahr auf weniger Steuereinnahmen einstellen. Die Steuerschätzer gehen für 2019 von 11 Millionen Euro weniger aus. 2020 werden es voraussichtlich vier Millionen Euro weniger Steuern sein, 2021 könnte sich das Minus auf 42 Millionen Euro belaufen.

Die Grünen im Landtag forderten, die Rücklagen deutlich zu erhöhen, um für schlechte Zeiten vorzusorgen. „Investitionen müssen gezielt in Zukunftsmaßnahmen erfolgen, die Baden-Württemberg voranbringen – insbesondere in den Klimaschutz und in gut ausgestattete Hochschulen“, erklärte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. Die Vorausschau auf das Jahr 2022 zeige, dass es geboten sei, „mit Augenmaß zu wirtschaften und Prioritäten zu setzen“. „Vor allem in den Bereichen Innere Sicherheit und starker Rechtsstaat, Wirtschaft und Innovation, Klimaschutz und Bildung müssen Schwerpunkte gesetzt werden“, verlangte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stephen Brauer, mahnte, Ministerin Sitzmann dürfe „jetzt nicht weiter den Wunschzettel der Ministerkollegen abarbeiten“. Sie müsse vielmehr weitere Schulden tilgen und wieder in die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden einsteigen. Denn diese müssten im Gegensatz zum Land mit weniger Steuern rechnen.