Der Grüne Sven Giegold hat eine Debatte losgetreten. Foto: ZB

Abgeordnete fordern: Europas Steueroasen sollen sich Mehrheitsbeschlüssen der EU beugen.

Brüssel - Mit einer Studie zur Steuergerechtigkeit hat der grüne Finanzexperte im Europaparlament, Sven Giegold, eine heftige Debatte angezettelt. Die Studie hatte angeprangert, dass bei der Besteuerung von Konzernen EU-weit eine große Lücke klafft zwischen den nominalen Steuersätzen und der tatsächlichen Steuerlast. Sie prangerte an, dass vor allem international tätige Konzerne von „Steuerprivilegien und Steuerschlupflöchern in der EU“ profitierten. Der Finanzexperte der deutschen Christdemokraten im Europaparlament, Markus Ferber (CSU), wirft dem Grünen „Unredlichkeit“ vor: „Dass effektive Steuersätze niedriger sind als nominale, sollte niemanden überraschen.“ Setze der Staat etwa steuerliche Anreize für Forschungsförderung, so drücke dies die Steuerlast. „Das ist bei Privatpersonen nicht anders. Wenn man darüber hinaus von der Pendlerpauschale Gebrauch macht und Werbungskosten absetzt, mindert dies die effektive Steuerbelastung“, so der CSU-Bezirksvorsitzende aus Schwaben.

Gerade in den vergangenen drei Jahren hat die EU viel erreicht

Ferber weist zudem darauf hin, dass die Studie mit überholten Zahlen arbeitet: „Jetzt mit Zahlen von 2011 bis 2015 zu argumentieren ist unredlich.“ Gerade in den vergangenen drei Jahren habe die EU etliche Reformen in der Steuerpolitik durchgesetzt. So hat EU-Beihilfekommissarin Margrete Vestager dafür gesorgt, dass Steuervorabsprachen zwischen den Mitgliedstaaten und einzelnen Unternehmen bekannt und zum Teil abgestellt wurden.

Die EU-Kommission setzt sich seit Jahren dafür ein, dass es EU-weit eine gemeinsame Bemessungsgrundlage in der Unternehmensbesteuerung gibt. Wenn sie kommt, würden die Steuersätze zwar immer noch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren. Doch die Möglichkeiten für Unternehmen, Profite mit Ausgaben gegenzurechnen, würden vereinheitlicht.

Viele Nationalstaaten profitieren von dem Flickenteppich

Beschlüsse auf EU-Ebene sind schwierig, weil in der Steuerpolitik zwischen den Mitgliedstaaten das Prinzip der Einstimmigkeit gilt. Etliche Mitgliedstaaten wie etwa Irland, die Niederlande und Luxemburg, die mit Steuerprivilegien Unternehmen anlocken, sind strikt dagegen, dass Entscheidungen im Rat zur Steuerpolitik mit Mehrheiten gefasst werden.

Die EU-Kommission hat letzte Woche einen Vorschlag vorgelegt, der bis 2025 in wichtigen Steuerfragen Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip durchsetzen will. Die Welle der Ablehnung aus den Hauptstädten war groß, auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) reagierte verhalten. Dagegen appelliert der Chef der deutschen SPD-Abgeordneten im EU-Parlament, Jens Geier, an die Mitgliedstaaten, ihren Widerstand aufzugeben. „Wir brauchen endlich Handlungsfähigkeit in Steuerfragen. Bis die letzten Mitgliedstaaten es einsehen und an einem Strang ziehen, um für Steuergerechtigkeit zu sorgen, werden wir ansonsten alle grau und alt sein“, sagte Geier unserer Zeitung.