Ein Unternehmer musste sich vor Gericht verantworten. (Symbolfoto) Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Der Geschäftsführer einer Gebäudereinigungsfirma aus Wendlingen ist vor dem Landgericht Stuttgart der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen worden. Er hatte mit Scheinfirmen gearbeitet und seine Arbeiter nicht ordnungsgemäß angemeldet.

Wendlingen/Stuttgart - Dubiose Subunternehmer, Barzahlungen in Millionenhöhe, Scheinrechnungen und Arbeiter ohne Verträge – das ist das Bild, das sich den Ermittlern nach und nach bot, nachdem sie bei einer Baustellenkontrolle auf eine Wendlinger Firma aufmerksam geworden waren. Ihr ehemaliger Geschäftsführer ist nun der Steuerhinterziehung sowie der Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt schuldig gesprochen worden.

Einen „breiten Ritt quer durchs Strafgesetzbuch“ bescheinigte der Vorsitzende Richter der 13. Großen Strafkammer am Stuttgarter Landgericht dem 41-jährigen Angeklagten aus Ebersbach, der die Firma im November 2011 übernommen hatte. Insgesamt 59 Taten werden dem Mann angelastet. 24 Fälle des Vorenthaltens beziehungsweise Veruntreuens von Arbeitsentgelt und 35 Fälle der Steuerhinterziehung. Die Vorwürfe reichen bis ins Jahr 2011 zurück. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes verjähren solche Taten statt bisher nach 30 Jahren neuerdings bereits nach zehn Jahren.

Scheinrechnungen in Millionenhöhe

Der Inhaber der Wendlinger Firma, die sich auf Brand- und Wasserschadensanierung spezialisiert hatte, hatte schon im Frühjahr vor Gericht gestanden. Damals hatte er sich wenig kooperativ gezeigt, alle Vorwürfe abgestritten. Im März war die Hauptverhandlung wegen der Corona-Pandemie nach fünf Verhandlungstagen ausgesetzt worden. Nun ist sie wieder aufgerollt und abgeschlossen worden. Nun haben Vertreter des Hauptzollamtes Ulm und des Finanzamtes Reutlingen zu dem Fall ausgesagt.

Die Kammer sah es nach der Aussage eines 46-jährigen Zollbeamter als erwiesen an, dass der Angeklagte Scheinrechnungen über nicht erbrachte Leistungen von vermeintlichen Fremdfirmen hatte erstellen lassen. Diese Annahme bestätigte der Angeklagte schließlich auch. Nach Berechnungen des Zolls beläuft sich der Umfang der sogenannten Abdeckrechnungen auf rund 4,4 Millionen Euro. Vier solche Scheinfirmen hatte der Zoll in seinen Ermittlungen ausfindig gemacht. Eine davon wurde von einem Angestellten des Angeklagten geführt. „Einige Ihrer Arbeiter wurden dann zu ihm ausgelagert, mit dem geschickten Nebeneffekt, dass Sie das als Betriebskosten absetzen konnten“, unterstellte der Vorsitzende Richter.

Arbeitnehmer „schwarz“ beschäftigt

Der Zoll war bei einer Schwarzarbeitskontrolle auf einer Baustelle auf die Firma des Angeklagten aufmerksam geworden. Auch anonyme Anzeigen und Geldwäschevorwürfe von verschiedenen Banken hatte es gegen den 41-Jährigen gegeben. Bei einer Durchsuchung der Firmenräume des Angeklagten im Mai 2013 sei besonders aufgefallen, dass es keinerlei Schriftverkehr mit den Fremdfirmen gegeben habe. Die Rechnungen, die gefunden wurden, seien zudem nicht gefaltet gewesen – laut dem Zollbeamten ein Indiz dafür, dass sie nicht mit der Post verschickt wurden. Dafür hätten sich aber Unterlagen eines der Subunternehmen in den Firmenräumen des 41-Jährigen gefunden.

Es sei undenkbar, dass der Angeklagte 2,9 Millionen Euro im Jahr 2011 und 3,7 Millionen Euro im Jahr 2012 mit den eigenen Mitarbeitern erwirtschaftet habe. Dazu seien die Steuerabgaben viel zu gering gewesen. Der Zollbeamte gab an, dass Schätzungen der Rentenversicherung zufolge 1,6 Millionen Euro an Sozialabgaben nicht abgeführt worden seien. Er schloss daraus, dass der Angeklagte über Jahre hinweg eine Vielzahl von Arbeitnehmern „schwarz“ beschäftigt hat – also, ohne sie bei der Sozialversicherung zu melden. Von 52 Mitarbeitern seien nur zehn bei der Sozialversicherung gemeldet gewesen, sagte auch der Vertreter des Finanzamtes Reutlingen. Den Ausführungen des Finanzbeamten hatte der Angeklagte einiges hinzuzufügen. Er fühlte sich unfair behandelt, da er von seinen Auftraggebern, unter denen auch große Firmen aus Nordrhein-Westfalen gehört haben sollen, teilweise nicht bezahlt worden sei.

Verteidiger gibt Branchengrößen Mitschuld

In seinem Plädoyer lastete der Verteidiger des 41-Jährigen gerade solchen großen Firmen eine Mitschuld an den Taten seines Mandanten an. Dort sei man nicht seiner Pflicht nachgekommen, zu prüfen, wem man entsprechende Sanierungsaufträge übertrage. Zudem habe man dazu beigetragen, dass Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet hätten. Etliche Menschen hätten „an dem System profitiert, für das mein Mandant hier den Kopf hinhält“, so der Verteidiger. Sein Mandant habe sein Leben „an die Wand gefahren“, zu seinen ohnehin schon beträchtlichen Schulden kommt nun ein siebenstelliger Steuerschaden, den er zahlen muss. Sein Mandant sei wirtschaftlich ruiniert.

Der Vorsitzende Richter machte deutlich, dass die Kammer noch Zweifel daran hat, ob der Angeklagte wirklich verstanden hat, dass er falsch gehandelt hat. „Ich hoffe, dieses Urteil setzt einen Schlusspunkt unter Ihr Vorstrafenregister“, sagte der Richter. Mit Blick auf die Tätigkeit des Angeklagten in der Brandsanierung wählte er zudem ein eindrückliches Wortbild, um die Lage des Angeklagten zu verdeutlichen. „Sie haben quasi Ihr eigenes Haus angezündet und sind darin schlicht umgekommen. Jetzt steht Ihnen das Wasser bis zum Hals.“

Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt

Bereits zum Neubeginn der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des 41-Jährigen erklärt, er und sein Mandant seien grundsätzlich zu einem Geständnis bereit, sofern man im Vorfeld den Strafrahmen festlegen könne. Die Strafkammer landete mit ihrem Urteil am oberen Ende des Rahmens. Zwei Jahre Freiheitsstrafe erwarten den Angeklagten, sollte er sich im vierjährigen Bewährungszeitraum etwas zuschuldenkommen lassen. Der von ihm verursachte Steuerschaden in Höhe von 2,86 Millionen Euro muss er zurückzahlen. In den kommenden 18 Monaten muss der 41-Jährige zudem 600 Sozialstunden in seiner Freizeit ableisten. Im gleichen Zeitraum muss er die Kosten des Verfahrens bezahlen. Sollte er umziehen, muss er das dem Landgericht unaufgefordert mitteilen.

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte haben die Möglichkeit, innerhalb einer Woche eine Revision zu fordern. In diesem Fall würde der Bundesgerichtshof das Urteil prüfen.