Blick von den Stettener Weinbergen auf die Kelter der Weingärtnergenossenschaft. Foto: Hans-Dieter Wolz

Noch im Dezember stimmt die Weingärtnergenossenschaft Stetten über einen gemeinsamen Austritt aus der Zentralgenossenschaft im Remstal ab. Keltern, ausbauen und vermarkten soll künftig eine nahegelegene große Familien-Weinkellerei.

Fellbach - Das Jahr endet für die Weinregion Remstal mit einem Paukenschlag. Noch im Dezember wird die Weingärtnergenossenschaft Stetten ihre 100 Mitglieder darüber abstimmen lassen, ob sie aus der Remstalkellerei in Weinstadt-Beutelsbach austreten soll. Dies sagten der Vorstandsvorsitzende Rüdiger Borck und der Aufsichtsratsvorsitzende Martin Wilhelm jetzt vor der Presse.

Alle Mitglieder der Genossenschaft vom Hobby- oder nebenberuflichen Wengerter bis zu den sieben Haupterwerbsbetrieben haben ein Angebot der Kellerei Wilhelm Kern aus Kernen-Rommelshausen vorliegen, deren Erzeugergemeinschaft beizutreten und ihre Trauben künftig in deren seit 2012 bestehender Kellerei im etwa vier Kilometer von ihren Weinbergen entfernten Rommelshausen anzuliefern. Die 1903 gegründete Kellerei Kern könnte damit auf einen Schlag ihre Erzeugergemeinschaft um ein Drittel vergrößern. Kern füllt nach eigenen Angaben jährlich 1,5 Millionen Liter Wein ab, die Stettener Genossenschaft liefert bisher etwa 500 000 Liter pro Jahr zur Remstalkellerei.

Die Abstimmung in einer außerordentlichen Generalversammlung ist der Höhepunkt einer langjährigen Entfremdung von der Remstalkellerei. Unter anderem aus Unzufriedenheit über deren Auszahlungen haben ihr schon in den vergangenen Jahren einige Stettener Betriebe den Rücken gekehrt. „Wir haben allein seit 2017 eine Rebfläche von 4,5 Hektar verloren, weil drei Kollegen eine Alternative wollten und es ihnen in der Genossenschaft zu langsam ging“, sagt Rüdiger Borck. Seit er 2002 Vorstandsvorsitzender wurde, ist die Rebfläche der Genossenschaft von 66 Hektar auf 52 Hektar geschrumpft, während neue Weingüter entstanden.

Schon beim geplanten Bau einer neuen Zentralkelter ausgeschert

Vor einiger Zeit haben die Mitglieder schon mehrheitlich beschlossen, dass sie sich nicht am Projekt einer Zentralkelter in Weinstadt beteiligen wollen. Der Vorstand hat sich stattdessen auf die Suche nach einem neuen Vermarkter begeben – dies hatten Mitglieder gewünscht, sagen Borck und Wilhelm. So ergab sich eine Chance für die Kellerei Kern. „Allein wenn man die Betriebe aufzählt, sieht man schon, was in Stetten für ein Potenzial liegt“, lobt Christoph Kern, selbst vom Weinbauverband ausgezeichnet als Württembergischer Jungwinzer des Jahres 2018. Dass die Firma Kern mit den Stettenern renommierte Lagen wie den „Pulvermächer“ dazugewinnt, käme ihr sehr entgegen. Sie wolle ihre Erzeuger auf Stuttgart und das Remstal konzentrieren, sagt Christoph Kern, nachdem sich die Gemeinschaft bisher über Württemberg verteilt. Die Stettener wiederum suchten eine Lösung für alle Mitglieder als Gemeinschaft: „Das fanden wir toll“, sagt Kern.

Die Kellerei vermarktet ihre Weine im Lebensmittel-Einzelhandel, in der Gastronomie und Event-Gastronomie sowie im „neuen Fachhandel“, wie Christoph Kern selbstständige Edeka- und Reweläden mit Weinabteilung bezeichnet: „Mit Stetten auf dem Etikett haben wir ein gewichtiges Argument, unsere Weine zu listen.“

Der kürzliche Brandbrief des Vorstands der Remstalkellerei an die Mitglieder, in dem dieser Vermarktungsschwierigkeiten eingestand und die Auszahlungen für einige Zeit sogar stoppte, sei nur zufällig in die Zeit vor der entscheidenden Abstimmung in Stetten gefallen, sagt Christoph Kern: „Die Gespräche laufen schon relativ lang.“

Dreiviertel-Mehrheit erforderlich

Für ein erfolgreiches Votum benötigt die Weingärtnergenossenschaft Stetten eine Dreiviertel-Mehrheit, wobei jedes Mitglied, egal ob hauptberuflich, nebenberuflich oder nicht mehr aktiv, eine Stimme hat. Es scheint, als stünden die Chancen gut für eine Abspaltung von der Remstalkellerei. Christoph Kern jedenfalls hat die Reaktionen der Stettener auf das Angebot seiner Familie bei einer Informationsveranstaltung in diesen Tagen als „äußerst positiv“ empfunden. Ein gewisser Zeitdruck besteht: Die Lieferverträge mit der Remstalkellerei sehen vor, dass sie nur jeweils zum Jahresende gekündigt werden können und dann zwei Jahre später enden.